Friday, April 26, 2019

Das Informationsbuffet ist ganz einfach zu voll

Die negativen Auswirkungen des Internets, der  Social Media und dem anhaltend hektischen Nachrichtenzyklus auf unsere Aufmerksamkeitsspanne werden ständig diskutiert - und wir merken selber, wie sich die digitale Informationsflut auf unser Wohlbefinden und unsere Konzentrationsfähigkeit auswirkt. Bis jetzt fehlten aber wissenschaftliche Untersuchungen, um Behauptungen über diese soziale Beschleunigung zu untermauern. Jetzt gibt es sie. Eine neue Studie stellt fest, dass sich unsere kollektive Aufmerksamkeitsspanne tatsächlich immer weiter verringert.

Alle wollen sie - die Aufmerksamkeit. Aber es gibt nicht genug
davon.                                                                 Bild Wikimedia 
Unsere öffentliche Diskussion erscheint zunehmend fragmentiert und beschleunigt. Soziologen, Psychologen und Lehrer warnen schon länger vor einer aufkommenden Krise, die aus der ‘Angst vor dem Verpassen‘, dem Zwang der Social Media und dem 24-Stunden-Rhythmus der Medien resultiert.
Die Studie, welche diese Theorie jetzt wissenschaftlich untermauert, kommt von einem Team europäischer Wissenschaftler an verschiedenen Universitäten. "Es scheint, dass die zugewiesene Aufmerksamkeit in unserem kollektiven Verstand eine gewisse Größe hat, aber dass die Inhalte, die um diese Aufmerksamkeit konkurrieren, immer mehr werden“, sagt einer der Autoren.
Die Wissenschaftler haben Twitter-Daten von 2013 bis 2016, Bücher von Google Books, die 100 Jahre zurückgehen, Kinokartenverkäufe, die 40 Jahre zurückgehen, und Zitate von wissenschaftlichen Publikationen der letzten 25 Jahre untersucht. Darüber hinaus haben sie Daten von anderen Internet-Inhalten gesammelt. Das Papier verwendet ein Modell für die Aufmerksamkeitsökonomie, um zu zeigen, dass die Beschleunigung der populären Inhalte durch die zunehmende Produktion und die zunehmende Nachfrage von Inhalten getrieben werden. Dies führt zu einer schnelleren Erschöpfung der begrenzten Aufmerksamkeitsressourcen. Mit anderen Worten: Das Informationsbuffet ist ganz einfach zu voll, 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche. Da kann auch ein sehr grosser Appetit nicht mehr mithalten. Twitter, das Social-Media-Fegefeuer für extrovertierte News-Junkies und andere Masochisten, ist ein gutes Beispiel dafür.
Bei einem Blick in die globalen Top 50 der täglichen Hashtags auf Twitter stellten die Wissenschaftler fest, dass die Spitzen immer steiler und häufiger wurden: Im Jahr 2013 blieb ein Hashtag mit durchschnittlich 17,5 Stunden in den Top 50. Drei Jahre später sind es nur noch  11,9 Stunden.
Dieser Trend spiegelt sich auch in anderen Bereichen, sowohl on- als auch offline - zum Beispiel bei Büchern und Filmen.
“Die Welt wurde in den letzten Jahrzehnten immer besser vernetzt. Das bedeutet, dass die Inhalte immer umfangreicher werden, was unsere Aufmerksamkeit erschöpft. Unser Drang nach Neuheit führt dazu, dass wir gemeinsam schneller zwischen den Themen wechseln“, erklärt einer der Forscher. Da die verfügbare Aufmerksamkeit mehr oder weniger gleich bleibt, führt dies dazu, dass die Menschen schneller auf etwas aufmerksam gemacht werden und das Interesse auch schneller wieder verlieren.“
Es ist schwierig zu sagen, wie sich diese Entwicklung auf die Gesellschaft auswirken wird. Die Forscher spekulieren: "Wenn sich nichts ändert, werden Themen, die öffentlich diskutiert werden, auf ein Minimum reduziert, bevor das nächste Thema auftaucht. Das wird mit ziemlicher Sicherheit die Qualität der Informationen beeinträchtigen. Andererseits sind Dinge, die nur sehr kurzfristig wahrgenommen werden, auf lange Sicht vielleicht auch gar nicht relevant."

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