Monday, April 23, 2018

Was ist der der Preis der Digitalisierung?

Innovationschub und Digitalisierung führen dazu, dass immer mehr Computer und Roboter Arbeiten übernehmen, die noch vor kurzem von Menschen erledigt worden sind. Trotzdem herrscht bei den meisten Arbeitnehmern keine Panik - vielleicht auch deshalb, weil diesbezüglich viel Optimismus verbreitet wird. Es gibt allerdings Industrieführer, die das Thema nicht ganz so unproblematisch sehen, wie viele andere.

Die erste industrielle Revolution führte zur vierten: Die digitale Revolution
bringt erneut grosse wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen.
                                                                       Illustration Wikimedia Commons
Bis in etwa 30 Jahren werde jeder zweite Arbeitnehmer durch Roboter ersetzt, und ganze Berufsgruppen könnten ganz auf Menschen verzichten, errechnete vor fünf Monaten eine globale McKinsey-Studie. Millionen von Beschäftigten müssten sich deshalb in den nächsten Jahren umschulen lassen, neue Fähigkeiten lernen und ihren Beruf wechseln, wenn sie beschäftigt bleiben wollen.
Das sind, wie die Amerikaner sagen, the bad News. The good News, gemäss McKinsey, ist die Tatsache, dass diese digitale Revolution keine Krise auslösen werde:
“Mit ausreichendem wirtschaftlichem Wachstum, Innovation und Investitionen können ausreichend neue Jobs geschaffen werden, um den Einfluss der Automatisierung zu kompensieren, auch wenn in fortgeschrittenen Ökonomien zusätzliche Investitionen benötigt werden, um das Risiko von Arbeitslosigkeit zu reduzieren."
Auch andere Studien kommen zu ähnlichen Ergebnissen: “In der Summe“ werde die Digitalisierung bis zum Jahr 2035 zu keinem gravierenden Anstieg der Arbeitslosigkeit führen, da sich der Stellenabbau mit dem Aufbau neuer Jobs die Waage halten dürfte, gab zum Beispiel letzte Woche das  Bundesinstitut für Berufsbildung in Deutschland bekannt, und die Deutschlandchefin von Dell-EMC erklärt, dass es notwendig sei, auf allen Ebenen „disruptiv“ zu denken und auch eine generelle Neubewertung der Erwerbsarbeit vorzunehmen.
Alles palletti also?
Das sehen nicht alle so. In den Büros drohe der grosse Jobabbau, titelt die Welt und lässt sich nicht vom verbreiteten Optimismus beschwichtigen:
“Zwar werden auch künftig Mitarbeiter die Software-Roboter programmieren und überwachen, aber trotzdem können die Firmen künftig auf viele Sachbearbeiter oder kaufmännische Angestellte verzichten. „Die grosse Herausforderung wird sein, dass man künftig nur noch einen statt zehn Mitarbeitern braucht, um eine Funktion abzudecken“ […]. Die Frage, die mit dieser neuen Digitalisierungswelle auf Politik und die Gesellschaft zurollt, wird sein: Was machen künftig die anderen neun? Es geht dabei potenziell um Millionen Betroffene.“
Überhaupt zeigt die erst in ihren Anfängen steckende digitale Arbeitsmarktdiskussion, dass die Fronten nicht entlang den üblichen Linien verlaufen. Nachdem zum Beispiel Siemens Chef Joe Kaeser in einem Handelsblatt-Interview dargelegt hatte, dass sich der gesellschaftliche Wert eines Unternehmens nicht nur daran messen dürfe, wie viel Gewinn es erziele, sondern auch daran, wie viele Arbeitsplätze es bereitstelle, fühlte sich dasselbe Handelsblatt dazu bemüssigt, in einem Kommentar zu widersprechen:
“Arbeit ist kein Selbstzweck. In der Vergangenheit sind Jobverluste durch Rationalisierungswellen stets kompensiert worden, teils durch neue Arbeitsplätze in anderen Bereichen, teils durch kürzere Arbeitszeiten. Sollte der derzeitige Trend zur Digitalisierung tatsächlich erstmals so rasant verlaufen, dass es zu grösseren Anpassungsschwierigkeiten kommt, dann wäre am ehesten die Politik gefordert: Sie muss das deutsche Sozialsystem umbauen, damit nicht mehr ein Grossteil der Beiträge und Leistungen am Normarbeitsverhältnis hängt.“
Ob der gesellschaftliche Wert von Unternehmen in Zukunft nur an deren Effizienz gemessen wird, hängt wohl stark davon ab, ob die digitale Revolution die nicht nur die Arbeitgeber, sondern auch die Arbeitnehmer profitieren lässt - durch den Gewinn von mehr Freizeit, zum Beispiel. Wenn die Optimisten Recht behalten, wird genau das der Fall sein. Wenn nicht, wird sich wohl der Preis der Digitalisierung heraus kristallisieren.

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