Monday, April 3, 2017

Passwörter und Co.: lügen und schummeln

Solange wir uns nicht mit irgendeinem persönlichen Merkmal in unsere unzähligen digitalen Konten einloggen können, werden wir uns Passwörter merken müssen. Das Problem: So viele Passwörter und Benutzernamen, wie sie heute erforderlich sind, kann sich kein Mensch merken. Umso ärgerlicher ist es, dass jede noch so geringe Dienstleistung im Web mit einem Sesam-öffne-dich gesichert wird.

Wieviele digitale Konten haben Sie? Können Sie sich Ihre Passwörter noch
alle merken?                                                                          Screengrab Amazon
Eines der Hauptmerkmale des Internets ist auch einer seiner grössten Vorteile: Fast alles ist gratis. So sieht’s zumindest aus. Stimmt aber natürlich nicht! Wie wir alle wissen, sind nur die besten Sachen auf der Welt gratis. Google, Facebook, Instagram und Co., die wir fast alle mit Enthusiasmus und mehr oder weniger Talent benutzen, kosten natürlich viel Geld. Allein der Betrieb der Serverfarmen verschlingt Energiemengen, mit denen ganze Städte rund um die Uhr versorgt werden könnte. Auch die Unterhaltskosten sind enorm. Diese kostenlosen Internetdienstleistungen finanzieren sich also anderweitig – zum Beispiel mit Werbung, und genau deshalb möchten die Betreiber immer genau wissen, wer ihre Dienste in Anspruch nimmt. Denn persönliche Daten sind Gold wert – im wahrsten Sinne des Wortes. Und schon sind wir beim grossen Passwort-Boom angelangt. Viele Internet-Nutzer vernachlässigen die Datensicherheit weil sie es lästig finden, bei immer mehr Diensten ein eigenes Login einrichten zu müssen. Ein Umfrage zeigt, dass 20 Prozent der User sich von der Zahl der Passwörter gänzlich überfordert fühlen. Kein Wunder: Die meisten Internet-Nutzer haben sich bei bis zu fünfzehn verschiedenen Online-Diensten wie E-Mail-Konten, Social-Media-Accounts oder Shopping-Websites angemeldet.
Michael Spehr hat in der FAZ einen ausgezeichneten Artikel zum Thema geschrieben. Auch er beklagt die digitale Kontenflut, wo es oft nur darum gehe, E-Mail-Adressen und Nutzerdaten abzugreifen, Kunden zu überwachen und ihr Verhalten auszuwerten. In solchen Fällen könne man getrost ein schlichtes Kennwort wählen, kombiniert mit einer Wegwerf-E-Mail-Adresse, die nur temporär bestehe, schreibt Spehr. Ausserdem schlägt er  vor, zu schummeln was das Zeug hält:
“Der Kontenwahn ist mindestens so schlimm wie die Kennwortschlamperei. Wer überall wahrheitsgemäß seine Handy-Nummer, Anschrift und E-Mail-Adresse oder gar die Kreditkartendaten angibt, ist selbst schuld. Warum sollte ein Bilderdienst wie Flickr von Yahoo das Geburtsdatum kennen, das in Zweifelsfällen ein zusätzliches, einzigartiges und nicht änderbares Authentifizierungs-Merkmal ist? Man schummele also, was das Zeug hält, und zwar ausnahmslos und überall, wo es nicht bedeutsam ist. Möge die Datenmafia an falschen Angaben ersticken. Oder man konterkariere den Kennwortwahn damit, dass man seine Passwörter bewusst vergisst: nichts aufschreiben, nicht immer dasselbe Kennwort nutzen, sondern ein kompliziertes wählen und gleich vergessen. Warum nicht? Man ist ja eingebucht, und beim nächsten Mal lässt man es über sein E-Mail-Konto zurücksetzen.“ 
Selbstverständlich gibt es auch Dienste, die einen seriösen Umgang mit Login-Daten erfordern.  Solange das Einloggen mit biometrischen Daten sich noch nicht auf breiter Front durchgesetzt hat, werden wir uns für derartige Websites oder Dienste weiterhin starke Passwörter merken (oder notieren) müssen. 

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