Friday, June 15, 2018

Digitalisierung, Individualität und Solidarität


Immer mehr Menschen beteiligen sich aktiv an der digitalen Vermessung ihres Lebens - obwohl sie klare Bedenken darüber haben. Wie gehen sie mit dem Sammeln und Teilen ihrer persönlichen Daten um? Was erwarten sie von einer Gesellschaft, in der persönliche Datenprofile in immer mehr Lebensbereichen eine zentrale Rolle spielen?  

An Instrumenten zur digitalen Selbstvermessung mangelt es nicht.
                                                                                 Google Search Screengrab
Laut einer neuen Studie der  Forschungsstelle sotomo, die im Auftrag der Stiftung Sanitas Krankenversicherung erstellt wurde, zeichnen heute bereits rund die Hälfte der Erwachsenen in der Schweiz mit dem Smartphone oder einem anderen tragbaren Gerät ihre Aktivitäten und Zustände auf. Zwei Drittel der Befragten würden gerne noch mehr aufzeichnen.
Gleichzeitig wird aber das Sammeln persönlicher Daten durch Dritte kritisch gesehen. So nutzen zwar über 70 Prozent der Befragten Gratis-Email und Instant-Messaging-Dienste, nur 14 Prozent finden es jedoch in Ordnung, wenn ihre Datenspuren als Gegenleistung für die Nutzung von Gratisangeboten verwendet werden. Ein Teil der Befragten nutzt einzelne Dienste infolge von Sicherheitsbedenken bewusst selektiv. Nur 22 Prozent der Befragten glauben, selber steuern zu können, welche persönlichen Daten gesammelt werden. Trotz Offenheit für die digitale Datenerfassung werden die persönlichen Folgen der Digitalisierung für die Bevölkerung kritisch eingeschätzt. Den Befragten wurde eine Auswahl von zehn Stichwörtern vorgelegt. Aus diesen konnten sie jeweils jene drei Begriffe auswählen, die sie am meisten und am wenigsten mit einer Welt der totalen Datenerfassung verknüpfen. Es sind überwiegend negative Begriffe, die damit in Verbindung gebracht werden. Am häufigsten ist dies «Kontrolle und Überwachung», gefolgt von «Verlust von Individualität». Dies obwohl die Individualisierung der Werbung, die zugeschnittene Information sowie personalisierte Produkte zu den wichtigsten Versprechungen der Digitalisierung gehören. Es wird befürchtet, dass Algorithmen den Menschen verdrängen – die Personalisierung erscheint da für die Mehrheit als eher leere Versprechung. Eine Mehrheit der Befragten geht davon aus, dass die fortschreitende Akkumulation persönlicher digitaler Daten einen negativen oder sehr negativen Einfluss auf die Solidarität innerhalb der Gesellschaft hat. Eine solche Welt wird oft mit Kontrolle, Effizienz und Leistungsdruck in Verbindung gebracht. Fast ebenso häufig wie die Solidarität sehen die Befragten allerdings auch die Eigenverantwortung durch das Aufzeichnen persönlicher Daten negativ beeinflusst. In der Politik werden Eigenverantwortung und Solidarität oft als Gegensatzpaar verstanden. Die klar negative Beurteilung beider Aspekte zeigt, dass weniger Solidarität in der Wahrnehmung der Bevölkerung nicht automatisch zu mehr Eigenverantwortung führt. Eine Mehrheit der Befragten findet, dass Solidarität und Eigenverantwortung in der Gesellschaft von der Digitalisierung beeinträchtigt werden. Eine Mehrheit findet zugleich, dass Gegenmassnahmen dazu nötig sind. Das auffälligste Resultat ist dabei, dass die Mehrheit der Befragten für eine Verbesserung der Situation weder hauptsächlich den Staat noch die Unternehmen in der Verantwortung sehen. Die Verantwortung liege vielmehr bei jedem und jeder Einzelnen.
Die vollständige Studie «Digitale Lebensvermessung und Solidarität» können Sie hier downloaden:

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