Immer
mehr Menschen beteiligen sich aktiv an der digitalen Vermessung ihres Lebens -
obwohl sie klare Bedenken darüber haben. Wie gehen sie mit dem
Sammeln und Teilen ihrer persönlichen Daten um? Was erwarten sie von einer
Gesellschaft, in der persönliche Datenprofile in immer mehr Lebensbereichen
eine zentrale Rolle spielen?
An Instrumenten zur digitalen Selbstvermessung mangelt es nicht. Google Search Screengrab |
Laut einer
neuen Studie der Forschungsstelle sotomo,
die im Auftrag der Stiftung Sanitas Krankenversicherung erstellt wurde, zeichnen
heute bereits rund die Hälfte der Erwachsenen in der Schweiz mit dem Smartphone
oder einem anderen tragbaren Gerät ihre Aktivitäten und Zustände auf. Zwei
Drittel der Befragten würden gerne noch mehr aufzeichnen.
Gleichzeitig
wird aber das Sammeln persönlicher Daten durch Dritte kritisch gesehen. So
nutzen zwar über 70 Prozent der Befragten Gratis-Email und
Instant-Messaging-Dienste, nur 14 Prozent finden es jedoch in Ordnung, wenn
ihre Datenspuren als Gegenleistung für die Nutzung von Gratisangeboten
verwendet werden. Ein Teil der Befragten nutzt einzelne Dienste infolge von
Sicherheitsbedenken bewusst selektiv. Nur 22 Prozent der Befragten glauben,
selber steuern zu können, welche persönlichen Daten gesammelt werden. Trotz
Offenheit für die digitale Datenerfassung werden die persönlichen Folgen der Digitalisierung
für die Bevölkerung kritisch eingeschätzt. Den Befragten wurde eine Auswahl von
zehn Stichwörtern vorgelegt. Aus diesen konnten sie jeweils jene drei Begriffe
auswählen, die sie am meisten und am wenigsten mit einer Welt der totalen
Datenerfassung verknüpfen. Es sind überwiegend negative Begriffe, die damit in
Verbindung gebracht werden. Am häufigsten ist dies «Kontrolle und Überwachung»,
gefolgt von «Verlust von Individualität». Dies obwohl die Individualisierung
der Werbung, die zugeschnittene Information sowie personalisierte Produkte zu
den wichtigsten Versprechungen der Digitalisierung gehören. Es wird befürchtet,
dass Algorithmen den Menschen verdrängen – die Personalisierung erscheint da für
die Mehrheit als eher leere Versprechung. Eine Mehrheit der Befragten geht
davon aus, dass die fortschreitende Akkumulation persönlicher digitaler Daten
einen negativen oder sehr negativen Einfluss auf die Solidarität innerhalb der
Gesellschaft hat. Eine solche Welt wird oft mit Kontrolle, Effizienz und
Leistungsdruck in Verbindung gebracht. Fast ebenso häufig wie die Solidarität
sehen die Befragten allerdings auch die Eigenverantwortung durch das
Aufzeichnen persönlicher Daten negativ beeinflusst. In der Politik werden
Eigenverantwortung und Solidarität oft als Gegensatzpaar verstanden. Die klar negative
Beurteilung beider Aspekte zeigt, dass weniger Solidarität in der Wahrnehmung
der Bevölkerung nicht automatisch zu mehr Eigenverantwortung führt. Eine
Mehrheit der Befragten findet, dass Solidarität und Eigenverantwortung in der
Gesellschaft von der Digitalisierung beeinträchtigt werden. Eine Mehrheit
findet zugleich, dass Gegenmassnahmen dazu nötig sind. Das auffälligste
Resultat ist dabei, dass die Mehrheit der Befragten für eine Verbesserung der
Situation weder hauptsächlich den Staat noch die Unternehmen in der Verantwortung
sehen. Die Verantwortung liege vielmehr bei jedem und jeder Einzelnen.
Die
vollständige Studie «Digitale Lebensvermessung und Solidarität» können Sie hier
downloaden:
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