Wednesday, March 16, 2011

Medien und Katastrophen im digitalen Zeitalter

Die Erdbeben/Tsunami/Nuklearkatastrophe in Japan hat gezeigt, dass die Medien mit wenigen Ausnahmen ihre Rolle im digitalen Zeitalter noch nicht gefunden haben. Die Katastrophe führte (und führt immer noch) zu einer ständigen Flut von sensationellen, ungeprüften, gegensätzlichen, widersprüchlichen und auch total falschen Meldungen.

Eigentlich müsste man meinen, dass die Japanische Katastrophe schlimm genug sei, ohne dass sie die Medien noch verstärken. Doch unsinnige Schlagzeilen, wie “Schnee aus der Atomwolke“ auf Blick-Online, demonstrieren das Gegenteil. Natürlich gibt es Medien, von denen die Konsumenten nicht viel anderes erwarten als Sensationalismus und fette Schlagzeilen, die es nicht allzu genau nehmen.  Es ist aber auch der 24-stündliche News-Zyklus, der dazu geführt hat, dass die digitale Informationsmachine ununterbrochen gefüttert sein will – da bleibt schlicht und einfach keine Zeit mehr, sich ein klares Bild der Situation zu machen. Umso verworrener ist das Resultat. Wer versucht hat, sich seit dem Tag der Katastrophe in Japan zum Beispiel per Internet auf dem Laufenden zu halten, wurde von einer riesigen Flut von widersprüchlichen Meldungen auf eine emotionelle Achterbahn geschickt, die fast nur Verwirrung und Furcht hinterlässt. Diese Verwirrung färbt dann auch auf sogenannte Experten ab, wie zum Beispiel den CVP-Nationalrat Pirmin Bischof, der im Verwaltungsrat Kernkraftwerk Gösgen AG sitzt, und im Club von SF1 zum besten gab, dass es schon schlim sei, “was Menschen anrichten“ könnten, und etwas später noch bemerkte, das es sich ja eigentlich beim Jahrtausenderdbeben und dem Supertsunami um “ganz banale Ursachen“ für die nukleare Nachfolgekatastrophe handle.
Das einzige was sicher ist: Es ist eine Katastrophe passiert, die immer noch im Gang ist und die verheerende Folgen hat. Um auf diesen Informationsstand zu kommen, hätte es aber auch gereicht, erst heute die Zeitung zu lesen oder ein Nachrichtenbulletin zu hören. Es gab einige wenige Ausnahmen, wie zum Beispiel die NZZ, das Wall Street Journal und den London Telegraph, die in den letzten Tagen versucht haben, mit erklärenden Hintergrundartikeln die Wertung der apokalyptischen Schlagzeilen zu erleichtern. 
Wir sind übrigens nicht allein in unserer Bewertung der Mediensituation. Rainer Stadler, der Medienexperte der NZZ, schreibt:
“Unerwartete Grossereignisse mit unklarer Faktenlage sind Gift für das Mediensystem. Das zeigt sich erneut bei der jüngsten Katastrophe in Japan. Der Erwartungsdruck, Informationen zu verbreiten, wächst viel rascher als die Chance, überhaupt gesichertes Wissen beschaffen zu können. Zudem können die Medienhäuser ihre Sendekapazitäten viel schneller hochfahren, als sie ihre Gefässe mit verlässlichen Informationen zu füllen vermögen. Die Diskrepanz zwischen technischem Potenzial und Produktsicherheit war am Samstag, also einen Tag nach dem Erdbeben in Japan, besonders auffällig. Das wachsende Angebot von Online-News hat den Zwang zur Aktualität noch einmal verschärft. So verwundert es wenig, wenn klassische journalistische Regeln – «get it first, but first get it right» – an Bedeutung verlieren. Tagesanzeiger.ch etwa meldete am Samstagmittag eine Kernschmelze in Japan, relativierte dann die Aussage mit dem Modalverb «sollen», um später nachzuschieben, es gebe dazu unklare News…“

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