Einige der vom Wall Street Journal untersuchten Produkte auf Amazon Marketplace. Screenshot WSJ |
“Amazon ist nicht mehr, was es früher
einmal war“, beklagte sich meine Frau nach ihren letzten Einkäufen im Shop des
Internetgiganten. Das Angebot sei unübersichtlich geworden, die Preise
schwankten und die Qualität mancher Produkte sei schwer abzuschätzen. Damit hat
sie den Nagel ziemlich genau auf den Kopf getroffen. Auch das Wall Street Journal
kommt in einem ausführlichen
Artikel (Paywall) über Amazon zum Schluss, dass der riesige Internethändler
weniger wie ein Warenhaus daherkomme, das für seine Kunden gute Qualität und
sichere Produkte auswähle, sondern vielmehr wie ein gigantischer Flohmarkt, wo unter
sehr limitierter Aufsicht Produkte von - oft anonymen - Drittverkäufern
angeboten würden. Die meisten dieser Waren kommen, wie könnte es anders sein,
aus China und Informationen darüber sind nur sehr schwer zu erhalten. Die
Vorwürfe, die das Wall Street Journal erhebt, sind happig:
“Genauso wie andere Technologieunternehmen, die Schwierigkeiten haben, Fehlinformationen auf ihren Plattformen zu bekämpfen, hat sich Amazon als unfähig oder nicht bereit erwiesen, Drittanbieter auf ihrer Website effektiv zu überwachen.“Der Titel des Artikels:
“Amazon hat die Kontrolle über seine Website abgegeben. Das Ergebnis: Tausende verbotene, unsichere oder falsch gekennzeichnete Produkte“Das Journal kam zu diesem vernichtenden Urteil, nachdem es in einer etwa einmonatigen unabhängigen Untersuchung herausfand, dass mehr als 4‘100 gefälschte Produkte, Rückrufprodukte und verbotene Produkte bei Amazon verkauft werden. Von diesen 4100 Produkten sind mindestens 2000 Spielzeuge und Medikamente. Aber auch 1412 elektronische Geräte mit gefälschten UL-Zertifizierungszeichen wurden angeboten. Was die ganze Sache nicht besser machte: Viele dieser Produkte trugen die Bezeichnung " Amazon's Choice ".
Für Amazon war die Idee eines nahtlos
integrierten Marktplatzes für Drittanbieter bis jetzt eine sehr lohnende: Im zweiten
Quartal 2019 wurden 54 Prozent aller Produkte von unabhängigen Anbietern
verkauft. Inzwischen gibt es über fünf Millionen Verkäufer, die auf diesem vom
Wall Street Journal so genannten Amazon Flohmarkt ihre Waren anbieten - und
Amazon profitiert von jedem Verkauf.
Die Position, die das Unternehmen zu dieser
Problematik einnimmt, ist bis jetzt ziemlich unnachgiebig - könnte
längerfristig auch unproduktiv sein: Man sei für die Produkte von Dritten, die bei
Amazon angepriesen würden, nicht verantwortlich. Falls sich das bei den
Kosumenten herumspricht, könnte das durchaus schlecht fürs Geschäft sein.
Besonders in den USA, wo Amazon mit Warenhäusern wie Walmart konkurrenziert, die es sich unter keinen Umständen
leisten können, verbotene oder unsichere Produkte anzubieten, und ihre
Kunden auch in anderen Belangen mit enormer Kulanz behandeln. Hier ist
der Konkurrenzkampf in vollem Gang: Erst vor ein paar Monaten hat Amazon Walmart
als weltgrössten Detailhändler
überholt.
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