Sunday, August 11, 2019

Aus Eitelkeit wird Overtourism: Instragram und die Menschenmassen

Wenn Sie in den Ferien einen besonders schönen oder romantischen Ort besucht haben, der noch nicht total von Touristen überlaufen war, dann sollten Sie sich gut überlegen, wem Sie dieses Geheimnis anvertrauen. Falls Sie da nächstes Jahr wieder hingehen möchten, posten Sie auf keinen Fall ein Selfie auf Instagram - um allen zu beweisen, wie sehr Sie Ihre Ferien genossen haben.

Tourismus galt, es ist noch nicht so lange her, als ein Wirtschaftszweig, der eigentlich nur positive Seiten hat. Reisen bildet, hiess es - von einem Carbon Footprint war damals noch nicht die Rede. Auch nicht von Flight Shaming oder Overtourism. Das hat sich in wenigen Jahren gewaltig geändert. Die schönsten Orte der Welt leiden unter Touristenmassen, die ihre Reiseziele zu einem grossen Teil auf Instagram und Facebook ausgewählt haben und Ihre Erfahrungen auch wieder dort posten. Es ist nicht nur Venedig, das unter dieser Last ächzt, auch abgelegene und vor kurzem noch eher unbekannte Orte sind dem Ansturm der Massen plötzlich nicht mehr gewachsen. Die Australische Website travel.nine.com.au weiss genau, wieso das so ist:
“Entfernung, Standort oder  Kosten sind nur Unannehmlichkeiten und keine echten Hindernisse für die Befriedigung, die mit dem Besuch eines Ortes einhergeht, der im Moment ganz oben auf der coolen Liste der coolen Leute steht. Es liegt in der menschlichen Natur, einem Reisetrend folgen zu wollen. Deshalb gibt es Reisetrends überhaupt. Aber bevor es Instagram gab, wurde ein solches Ziel nur langsam über Mund-zu-Mund-Propaganda bekannt, bevor der nächste schöne Ort cool wurde. Mit Instagram ist der Zustrom schnell, konstant und massiv. Und der einst unbekannte Fleck wird  zurückgelassen, als wären tausende winzige Ameisen angekommen, und mit einem glänzenden Bild in der Hand wieder abgereist - nachdem sie ihre zerstörerischen Spuren hinterlassen haben.“
Luzern, eine Stadt wie aus dem Bilderbuch - und genau deshalb wollen sie so
viele Touristen sehen.                                              Bild Wikimedia Commons
Inzwischen gibt es unzählige Orte auf der Welt, die genau aus diesem Grund keine Touristen mehr empfangen oder zumindest Beschränkungen eingeführt haben.
Auch die touristengewohnte Schweiz erlebt, was es heisst, wenn Destinationen plötzlich extrem populär werden. “Früher war man hiermutterseelenallein“: Wie Social Media den Tourismus verändern, titelt zum Beispiel die NZZ und berichtet unter anderem über der Ansturm touristischer Massen am Beispiel Lauterbrunnen und Blausee:
“Das Dorf Lauterbrunnen bietet mit seinen blumengeschmückten Häusern, den idyllischen Weiden rundherum und dem Blick auf den Trümmelbachfall, der hier von einer schroffen Felswand hinunterstürzt, diverse Motive, die «very instagrammable» sind. Das hat Folgen, und längst nicht alle sind positiv. Am Flussufer bleiben immer häufiger Abfälle liegen. Es herrscht regelmässig ein Verkehrschaos. Touristen trampeln den Bauern die Wiesen platt, missachten fürs perfekte Foto die Privatsphäre der Anwohner. Gemeindepräsident Martin Stäger schüttelt leicht den Kopf, als er sagt: «Manche glauben offenbar, sie seien hier im Freiluftmuseum. Das geht so weit, dass sie plötzlich im Wohnzimmer stehen und sagen, sie hätten nur mal schauen wollen, wie wir hier so lebten.»
Overtourism werde auch für die Schweiz zum Problem und verursache Konflikte, konnte man schon nach dem vielpublizierten Besuch einer 12‘000köpfigen Touristengruppe aus China in Luzern lesen. Die Bevölkerung murrt, weil der Dichtestress auch auf der Kappellbrücke und am Bergsee lästig wird.
Das Problem schein unlösbar zu sein - ein Dilemma eben. Wer nämlich sein Geld mit Tourismus verdient, hat nicht das Gefühl, die touristischen Massen seien problematisch. Das gilt auch am Blausee:
“Lena Goosmann sitzt an einem Tisch im Restaurant des Hotels Blausee, das sie seit rund zwei Jahren betreibt. Sie blickt durchs Fenster auf die Terrasse, wo alle Tische besetzt sind, obwohl die Mittagszeit längst vorbei ist. Und sagt, bisher gebe es keinen Anlass, die Eintritte zu beschränken: «Der Park ist gross genug, in der Regel verteilen sich die Besucher gut übers Gelände...»

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