Tourismus galt, es ist noch nicht so lange
her, als ein Wirtschaftszweig, der eigentlich nur positive Seiten hat. Reisen
bildet, hiess es - von einem Carbon Footprint war damals noch nicht die Rede.
Auch nicht von Flight Shaming oder Overtourism. Das hat sich in wenigen Jahren
gewaltig geändert. Die schönsten Orte der Welt leiden unter Touristenmassen,
die ihre Reiseziele zu einem grossen Teil auf Instagram und Facebook ausgewählt
haben und Ihre Erfahrungen auch wieder dort posten. Es ist nicht nur Venedig,
das unter dieser Last ächzt, auch abgelegene und vor kurzem noch eher
unbekannte Orte sind dem Ansturm der Massen plötzlich nicht mehr gewachsen. Die
Australische Website travel.nine.com.au
weiss genau, wieso das so ist:
“Entfernung, Standort oder Kosten sind nur Unannehmlichkeiten und keine echten Hindernisse für die Befriedigung, die mit dem Besuch eines Ortes einhergeht, der im Moment ganz oben auf der coolen Liste der coolen Leute steht. Es liegt in der menschlichen Natur, einem Reisetrend folgen zu wollen. Deshalb gibt es Reisetrends überhaupt. Aber bevor es Instagram gab, wurde ein solches Ziel nur langsam über Mund-zu-Mund-Propaganda bekannt, bevor der nächste schöne Ort cool wurde. Mit Instagram ist der Zustrom schnell, konstant und massiv. Und der einst unbekannte Fleck wird zurückgelassen, als wären tausende winzige Ameisen angekommen, und mit einem glänzenden Bild in der Hand wieder abgereist - nachdem sie ihre zerstörerischen Spuren hinterlassen haben.“
Luzern, eine Stadt wie aus dem Bilderbuch - und genau deshalb wollen sie so viele Touristen sehen. Bild Wikimedia Commons |
Inzwischen gibt es unzählige Orte auf der
Welt, die genau aus diesem Grund keine
Touristen mehr empfangen oder zumindest
Beschränkungen eingeführt haben.
Auch die touristengewohnte Schweiz erlebt, was es heisst,
wenn Destinationen plötzlich extrem populär werden. “Früher war man hiermutterseelenallein“: Wie Social Media den Tourismus verändern, titelt zum
Beispiel die NZZ und berichtet unter anderem über der Ansturm touristischer
Massen am Beispiel Lauterbrunnen und Blausee:
“Das Dorf Lauterbrunnen bietet mit seinen blumengeschmückten Häusern, den idyllischen Weiden rundherum und dem Blick auf den Trümmelbachfall, der hier von einer schroffen Felswand hinunterstürzt, diverse Motive, die «very instagrammable» sind. Das hat Folgen, und längst nicht alle sind positiv. Am Flussufer bleiben immer häufiger Abfälle liegen. Es herrscht regelmässig ein Verkehrschaos. Touristen trampeln den Bauern die Wiesen platt, missachten fürs perfekte Foto die Privatsphäre der Anwohner. Gemeindepräsident Martin Stäger schüttelt leicht den Kopf, als er sagt: «Manche glauben offenbar, sie seien hier im Freiluftmuseum. Das geht so weit, dass sie plötzlich im Wohnzimmer stehen und sagen, sie hätten nur mal schauen wollen, wie wir hier so lebten.»
Overtourism werde auch für die Schweiz zum
Problem und verursache Konflikte, konnte man schon nach dem vielpublizierten
Besuch einer 12‘000köpfigen Touristengruppe aus China in Luzern lesen. Die
Bevölkerung murrt, weil der Dichtestress auch auf der Kappellbrücke und am
Bergsee lästig wird.
Das Problem schein unlösbar zu sein - ein
Dilemma eben. Wer nämlich sein Geld mit Tourismus verdient, hat nicht das
Gefühl, die touristischen Massen seien problematisch. Das gilt auch am Blausee:
“Lena Goosmann sitzt an einem Tisch im Restaurant des Hotels Blausee, das sie seit rund zwei Jahren betreibt. Sie blickt durchs Fenster auf die Terrasse, wo alle Tische besetzt sind, obwohl die Mittagszeit längst vorbei ist. Und sagt, bisher gebe es keinen Anlass, die Eintritte zu beschränken: «Der Park ist gross genug, in der Regel verteilen sich die Besucher gut übers Gelände...»
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