Monday, July 16, 2018

Gibt es sie überhaupt, die vielzitierte Filterblase?

Mt dem Internet und seinem Potential müssten wir eigentlich  alle unendlich besser informiert und viel schlauer sein, als je zuvor. Das ist offensichtlich nicht der Fall. Als Grund dafür, wird oft die sogenannte Filterblase genannt. Sie halte uns davon ab, ausgewogene Informationen zu konsumieren, heisst es. Doch ganz so einfach ist es wohl nicht.

Eli Pariser, der Autor, der mit seinem Buch die Filterblase populär gemacht
hat.                                                                           Bild Wikimedia Commons 
Das Wort Filterblase wurde von Medienwissenschaftlern geprägt und von den Massenmedien dankbar aufgenommen. Sie gehen davon aus, dass das Internet seine Nutzer häufig nur noch mit jenen  Informationen versorgt, denen sie zustimmen. Facebook wird in diesem Zusammenhang besonders oft genannt.  Die sogenannte Filterblase, die inzwischen auch im Duden zu finden ist, schaffe durch die Analyse des Klickverhaltens der User eine Informationsisolation, sozusagen ein Ghetto, in dem der Nutzer nur noch Mitbewohner und Informationen antrifft, die seiner Einstellung entsprechen.
Tatsächlich lassen sich im Internet (auch neben Facebook) viele filterblasenähnliche Räume beobachten. Wer zum Beispiel die Userkommentare von Medienerzeugnissen liest, stellt schnell fest, dass die Meinungen zu einem grossen Teil genau jener der Autoren entspricht - ob die nun liberal oder konservativ sei. Aber ist das schon eine Filterblase? Die linksliberale Zeit glaubte schon vor einem Jahr nicht mehr daran und nannte die Filterblase einen Selbstbetrug des linken Milieus:
“Wie kein anderes buzzword zeigt die filter bubble: Die Diskussion über die Macht der Daten hat ein Esoterik-Problem: Man weiß ja nicht genau, was dieses Internet so alles anrichtet, also darf man ruhig alles glauben, was es so anrichten könnte.“
Auch Bernhard Pörksen, Professor für Medienwissenschaft, glaubt nicht an die Filterblase, wie er in der NZZ kürzlich darlegte. Unsere Gesellschaft leide viel mehr darunter, dass man wegen der Vernetzung kaum mehr eine Meinung äussern könne, ohne dass man sofort mit anderen Ansichten konfrontiert werde:
“Das Zeitalter der Vernetzung ist das Zeitalter des permanenten Filter-Clash, des Aufeinanderprallens von Parallelöffentlichkeiten und Selbstbestätigungsmilieus. Dies zeigt sich, wenn auf Twitter, dem Nachrichtenkanal für jedermann, in einem einzigen Gesprächsfaden die unterschiedlichsten Positionen sichtbar werden. Und das wird im Falle von Extremereignissen erlebbar, die auf der Weltbühne des Netzes zum grossen Drama explodieren.“
Der Autor plädiert dafür, nicht die Technik für die Polarisierung der Gesellschaft verantwortlich zu machen:
“Debattiert man über die Macht von Algorithmen, letztlich über die Dominanz der Maschine über den Menschen, negiert seine Autonomie und damit die Fähigkeit zum verantwortlichen Handeln? Oder erkennt man an, dass hinter alldem der Mensch steckt, mit seinen Interessen, seinen grossen und kleinen Ideologien, seinen Vorurteilen und seinen selbstgeschaffenen Filterblasen, die in einer vernetzten Welt auf immer andere Filterblasen prallen? Die Verhältnisse zu humanisieren, kann, so denke ich, nur dann wirklich gelingen, wenn man damit beginnt, die eigenen Theorien und Modelle zu humanisieren. Und das hiesse, vom Menschen und von seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit zu sprechen, also von uns selbst.“
Die Diskussion ist ja nicht neu. Vor dem Internet war das Fernsehen. Auch diesem Medium wurden gesellschaftszerstörerische Tendenzen nachgesagt - “Hilfe, das Fernsehen frisst uns“, titelte zum Beispiel die Schweizer Illustrierte vor gut 40 Jahren. Es ist dann doch nicht passiert - oder zumindest hat uns das Fernsehen weitergegeben an das Internet - zur weiteren Aufregung, und auf  dass wir immer eine Entschuldigung für unser Unausgewogenheit und Parteilichkeit haben.

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