Monday, December 19, 2016

Social Bots: Die virtuelle Multiplikation der Propaganda

Fake News hat es in der Geschichte der Medien schon immer gegeben – in Form von voreingenommener Berichterstattung, aber auch in Form von kompletten Falschmeldungen (man erinnert sich an die Stern-Berichterstattung über die gefälschten Hitlertagebücher im Jahr 1983). Früher gab es allerdings keine digitalen Medien, die Falschmeldungen auf tausenden von Kanälen verbreiteten – die traditionellen Medien beherrschten das Feld sowohl der echten als auch der falschen News. Diese Situation hat sich grundlegend verändert – unter anderem auch, weil immer mehr computergenerierte Meldungen auf sozialen Medien publiziert werden.

 Donald Trump nutzt Twitter als Tool und twittert schon fast soviel, wie
 ein Social Bot... 
Social Bots sind computergesteuerte Urheber von Nachrichten, und wenn man den traditionellen Medien glauben darf, gibt es von diesen automatisierten Online-Profilen inzwischen so viele, dass sie unsere Demokratie gefährden. Zitat aus dem Spiegel:
Aktuellen Studien zufolge ließen sich 95 Prozent der befragten Wähler zwar durch soziale Medien nicht in ihren Entscheidungen beeinflussen. "Fünf Prozent können aber das Zünglein an der Waage sein und Wahlen entscheiden", sagt der Simon Hegelich. Der Wissenschaftler rechnet damit, dass der Bot-Boom aus den USA nach Europa herüberschwappt. "Schon heute schalten sich Bots aktiv in Diskussionen um praktisch jedes innenpolitische Thema ein", sagt Hegelich, der selbst auch Bots und ganze Netze enttarnt…“
Inzwischen gibt es bereits Gruppen von Medienschaffenden und Wissenschaftlern, die das Bot-Phänomen erforschen. Allerdings ist es nicht immer ganz einfach, virtuelle User überhaupt zu erkennen. Eine deutsche Gruppe von Forschern, die sich Botswatch nennt, hält sich momentan immer noch an  die Erkenntnisse der University of Oxford, nach denen jeder Account als Bot definiert wird, der durchschnittlich 50 oder mehr Tweets am Tag absetzt oder im gleichen Umfang Likes abgibt. Wer also auf Facebook zu aktiv ist, läuft Gefahr, als Bot eingestuft zu werden. Das soll sich aber schon bald ändern:
“Botswatch arbeitet eigenen Angaben zufolge an genaueren Methoden zur Identifizierung. „Social Bots zu erkennen ist komplex. Sie sind täglich im Wandel“, sagt [Gründerin Tabea] Wilke. „Wir haben uns genau angeschaut, wie sich Social Bots und Botnets im politischen Raum verhalten und welche Eigenschaften sie haben. Daraus haben wir Kriterien definiert und sie in mehreren Testings geprüft und weiterentwickelt.“ Zum Einsatz kommen diese Kriterien bislang nicht. Der Rechenaufwand für ihre Umsetzung ist enorm und sprengt aktuell noch die Kapazitäten des Projekts.“
Auch Kommunikationsfachleute haben ihre liebe Mühe mit Social Bots. So äusserte sich kürzlich der Deutsche Rat für Public Relations zum Thema und erklärte den Einsatz von meinungsmanipulierenden Social Bots für "unvereinbar mit den Grundsätzen verantwortungsbewusster Öffentlichkeitsarbeit":
“Der Einsatz von Social Bots unterläuft das Prinzip, dass hinter jeder öffentlich vorgetragenen Meinung ein Mensch stehen muss", erklärt Professor Günter Bentele, Vorsitzender des Deutschen Rats für Public Relations. "Social Bots, oder Meinungsbots verschleiern auch ihre tatsächlichen Absender. Beides sind Manipulationsversuche und massive Verstöße gegen grundsätzliche Prinzipien der Öffentlichkeitsarbeit", so Bentele.“
Es gibt aber auch Stimmen, die davor warnen, die virtuellen Meinungsschleudern zu überschätzen. Zitat aus den Stuttgarter Nachrichten:
Lorena Jaume-Palasí schätzt die Gefahr, dass Social Bots die öffentliche Meinung manipulieren, noch nicht so groß ein. „Das könnten sie nur, wenn der gesamte menschliche Interaktionskontext ausschließlich digital wäre“, sagt die Politikphilosophin der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität. „Wir leben in einer digitalen Zeit, aber Social Media hat noch nicht alle anderen Kontexte erreicht.“ Menschen gingen zur Arbeit oder in die U-Bahn, wo sie auf andere Menschen und andere Meinungen treffen. Der sogenannte magnifizierende Effekt des Internets, dessen Gefahren Kommunikationswissenschaftler immer wieder betonen, sei nicht quantifizierbar. Sie will Social Bots auch nicht ganz verteufeln. „Wir versuchen seit je, andere Menschen von unseren Meinungen zu überzeugen“, sagt sie, „wir können nicht Neutralität verlangen und auch nicht, dass Bots abgeschafft werden.“
Der angesprochene “magnifizierende Effekt“ wird aber auch von den traditionellen Medien gerne benutzt - wenn es ihnen denn passt. Deshalb werden Artikel allzu oft mit unzähligen, meist anonymen Twitter-Kommentaren garniert - wenn diese Kommentare zur Tendenz des Artikels passen. Wenn traditionelle Medien und Social Media auf diese Weise in der Echokammer verschmelzen, ist es mit der Sorge über Social Bots dann plötzlich nicht mehr weit her. 

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