Wenn man der Medienberichterstattung glauben darf, sind es zuerst einmal die arme Seelen, die zu Tausenden für Facebook-Subunternehmer arbeiten, um die unakzeptablen Inhalte auszusortieren, die wissen, was Hass wirklich heisst. Sie werden direkt mit dem Abscheulichsten konfrontiert, was die digitalisierte Menschheit zu bieten hat, und das hat Folgen:
“Zuerst störte es mich nicht - aber nach einer Weile fing es an, mich negativ zu beeinflussen", sagte Michelle Bennetti, eine ehemalige Mitarbeiterin im Büro Tampa. "Ich fühlte eine Wolke - eine Dunkelheit - über mir. Ich fing an, deprimiert zu werden. Ich bin normalerweise ein glücklicher, aufgeschlossener Mensch, doch ich zog mich zurück. Meine Angst stieg. Es war schwer, das jeden Tag zu überstehen. Es fing an, mein Privatleben zu beeinflussen." Die Einzelheiten des Berichts [über den Moderatorenjob] sind bestenfalls eine düstere Darstellung der schmutzigen und chaotischen Bedingungen am Arbeitsplatz und schlimmstenfalls ein beunruhigender Einblick in die psychologische Belastung durch den Job.“ (gizmodo.com)Aber neben diesen Auswüchsen, die sogar jene Menschen krank machen, die sie zensurieren müssen, wie können hasserfüllte Postings erkannt und gelöscht werden? Und ist dies überhaupt notwendig?
Die zweite Frage wird in Europa viel eher mit einem klaren Ja beantwortet, als in den USA, wo die Meinungs- und Ausdrucksfreiheit in der Verfassung festgeschrieben ist. Aktuell hat gerade der Autor Daniel Friedman auf Quillette.com ein ausführliches Essay zum Thema publiziert - unter dem Titel: How Free Speech Dies Online (wie die Redefreiheit Online stirbt). Europa hingegen lauscht dieser Tage, was der frühere stellvertretende britische Premier Nick Clegg zum Thema zu sagen hat (siehe untenstehendes Video), der inzwischen zum vielfach besser bezahlten aber nicht minder undankbaren Job eines Facebook-Öffentlichkeitsbeauftragten und in die USA gewechselt hat:
“Facebook will reguliert werden", sagte Cheflobbyist Nick Clegg bei einer Podiumsdiskussion in Berlin. Deshalb werde gerade ein unabhängiges Aufsichtsgremium entwickelt. Wie das konkret aussehen soll und wer Teil des Gremiums sein wird, hat Clegg nicht weiter ausgeführt. Aber er sprach davon, dass es "transparente und bindende" Entscheidungen treffen soll. Nach Informationen des ZDF könnten in diesem Gremium in Zukunft 40 Mitglieder aus der ganzen Welt sitzen, darunter auch Wissenschaftler und Journalisten. Sie sollen strittige Fragen beantworten, die ihnen Facebook-Nutzer stellen. Zum Beispiel, wenn es darum geht, ob Hasskommentare konsequent gelöscht werden sollen oder ob sie online bleiben, aber mit einem Warnhinweis versehen werden sollen. Eine andere Möglichkeit wäre, den Kommentaren Reichweite zu entziehen, in dem sie kaum noch Nutzern angezeigt würden. Um sich über ein mögliches Gremium auszutauschen, gab es laut Clegg Experten-Treffen rund um den Globus, unter anderem in Singapur, Nairobi, Mexiko, New York und Berlin. "Die fundamentale Frage ist: Wie soll das Internet aussehen? Das ist eine der entscheidenden gesellschaftlichen Debatten", sagte Nick Clegg, der von 2010 bis 2015 britischer Vize-Premierminister war. Die Welt habe sich in den vergangenen Jahren stark verändert. In einer neuen Welt, brauche es auch neue Regeln.“ (heise.de)Es ist anzunehmen, dass auch die pluralistisch zusammengestellten neuen Regeln für die schöne neue digitale Welt das Hauptproblem nicht lösen werden: Wo soll der Zensurhebel angesetzt werden - und wer bestimmt, wo diese Grenzen liegen, ohne dass mit politischen Ellen gemessen wird?
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