Sicher haben Sie in den letzten Tagen davon
gelesen, dass eine Amerikanische Behörde die sogenannte
Netzneutralität aufheben will. Wissen Sie auch, was das genau bedeutet, und ob
das nicht-neutrale Netz sich auf Ihren Alltag auswirken wird? Falls Sie diese
Frage mit "nein“ beantworten müssen, ist das nicht allein Ihre Schuld.
Satire oder Realität? Bei der Berichterstattung zum Thema Netzneutralität verschwimmen die Grenzen. Screengrab Spiegel Online |
Netzneutralität ist ein nicht ganz
unkompliziertes Thema. vor allem wenn man es mit der Politik vergleicht, wo alles
so viel klarer ist. Demzufolge ist auch die Berichterstattung nicht ganz so
einfach, wie das Kommentieren politischer Ereignisse, wo jeder gerne zum Besten
geben darf, was beim Zielpublikum ankommt. Das war wahrscheinlich der Grund dafür, dass das Niveau der
Berichterstattung zum Thema Netzneutralität erschreckend tief war - in den letzten Tagen
war es fast unmöglich, klare und unvoreingenommene Erklärungen zu finden. Die meisten Medien genügten sich damit, das Ende des Internets, wahrscheinlich sogar das Ende unserer
Zivilisation und des allgemeinen Wohlergehens vorherzusagen. Geradezu panisch
kommentierte der Spiegel, notabene unter dem Titel “Die
Abschaffung der Demokratie“:
“Es war längst klar, dass der Krieg gegen Wahrheit, Wissenschaft und Vernunft eines der Grundelemente für Donald Trump und die Seinen ist, um sich der lästigen Demokratie zu entledigen, die nur stört in dem ehrgeizigen, totalitären Plan, den Kapitalismus endgültig zur alleinigen Ideologie zu machen.“
Die Süddeutsche Zeitung bangt gar um die
Eigentumsrechte am Internet und titelt: “ Zu Weihnachten schenken die USA ein
paar Konzernen das Internet“. Im Artikel tönt es dann nicht mehr ganz so
dramatisch, wenn auch wirtschaftstheoretisch unbedarft:
“Das heißt in der Praxis: Kunden können extra abkassiert werden, nur um überhaupt in akzeptabler Qualität an bestimmte Dienste zu kommen […]Je mehr Kapital ein Anbieter hat, desto mehr Vorteile kann er sich erkaufen - unabhängig von der Qualität seiner Dienste. Sollte es so kommen, dürften kleine Unternehmen und nichtkommerzielle Anbieter sich das nicht leisten können.“
Den Vogel abgeschossen haben allerdings mit
ihrer Berichterstattung der Stern und derStandard.de. Sie sorgen sich um die pornographische
Versorgung Europas. Titelt der Standard: “Aus für Netzneutralität gefährdet
Gratispornos“ und führt aus:
“Schon 2012 verursachten Pornovideos laut einer Schätzung der Seite "Extreme Tech" 30 Prozent des weltweiten Online-Datenverkehrs. Der Anteil an absoluten Zahlen, 50 Gigabyte pro Sekunde, ist seitdem wohl stark angestiegen. Doch die von der FCC beschlossene Abschaffung der Netzneutralität könnte das Zeitalter der Gratis-Sexfilme beenden…“
Wir haben dann im seichten Tümpel der
Medienberichterstattung doch noch eine tiefere Stelle gefunden, wo das Thema unvoreingenommen und gut verständlich erklärt wird. Die NZZ beantwortet in ihrem Artikel acht Fragen; zum Beispiel: Was
sind die Folgen für die Konsumenten?
“Die neue Regelung betrifft in erster Linie die Inhalte-Anbieter, aber dadurch indirekt auch die Endkunden. Gewisse Internetkonzerne könnten die höheren Kosten an die Kunden überwälzen. Zumindest solange der freie Wettbewerb dies nicht verunmöglicht. Die Preise für den Internetanschluss könnten hingegen sogar sinken, da neu auch die Inhalte-Anbieter den Telekomfirmen Gebühren entrichten. Schliesslich könnten Konsumenten bei der Qualität ihrer Internetverbindung Veränderungen sehen. Zum einen könnten gewisse Websites langsamer laden, da die Betreiber nicht für Daten-Vorfahrt bezahlen. Zum anderen könnten aber mit den Zusatzeinnahmen auch die Infrastrukturausgaben steigen, was künftig schnellere Internetverbindungen ermöglichte. Welche Effekte am Ende überwiegen, wird massgeblich davon abhängen, wie intensiv der Wettbewerb zwischen den Netzbetreibern ist. Je weniger dynamisch der Markt ist, desto eher dürften die negativen Effekte für die Konsumenten überwiegen – und umgekehrt.“Es gibt übrigens auch Experten, die sich zum Thema befragen lassen. Ausgerechnet das ZDF fand einer dieser Spezialisten. Was er sagt, lässt uns wieder ruhiger schlafen:
"Nach dem Aus für die Netzneutralität in den USA sieht René Arnold vom Wissenschaftlichen Institut für Infrastruktur und Kommunikationsdienste wenig Grund zur Beunruhigung. Großkonzerne wie Google und Amazon hätten bereits jetzt die Möglichkeit, Inhalte in besserer Qualität an Verbraucher zu liefern. Google beispielsweise betreibe zahlreiche eigene Infrastrukturen wie Unterseeleitungen und Rechenzentren, die beliebte Inhalte vorladen können [...] Die Auswirkungen in Europa schätzt Arnold gering ein..."
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