Ein Ausgezeichneter Gastkommentar des Physikers, Philosophen und Publizisten Eduard Kaeser auf NZZ-Online befasst sich mit einem Thema, das uns ebenfalls schon seit längerem am Herzen liegt: Es geht um den digitalen Mob, der im Zeitalter der politischen Korrektheit im Web als Sittenwächter agiert und jene User, die sich nicht innerhalb vorgegebener Meinungsgrenzen bewegen, an den digitalen Pranger stellt.
Twitter ist besonders gut zur digitalen Aburteilung eines unliebsamen Users geeignet. 144 Zeichen, ein Knopfdruck - und das Urteil ist gesprochen. Bild PD |
Das Internet hat ein Anstands- und ein Toleranzproblem. Das wissen wir schon seit einiger Zeit:
“Trolle, also Internet-User, die sich nicht zu benehmen wissen und andere Teilnehmer im Internet unter dem Deckmantel der Anonymität beschimpfen und bedrängen, sind schon lange ein Problem. Nicht nur auf Twitter, wo vor allem prominente User oft belästigt werden, sondern auch in den Kommentarspalten zu News-Artikeln, wo die Anwürfe oft sehr persönlich werden...“
Einer der Gründe für dieses asoziale und amoralische Verhalten liegt in der Anonymität des Internets. Die Anonymität anästhesiere den sozialen und moralischen Sinn, schreibt Eduard Kaeser in seinem Kommentar:
“Im Affenzirkus der Social Media kann bekanntlich jede und jeder in den Himmel der Celebrities kommen – oder in die Hölle der Verdammten abstürzen. Ein unbedachter Witz, ein sexistischer Tweet, ein dummer Kommentar zum Bild eines überquellenden Flüchtlingsschiffs – und schon setzt ein Prozess ein, der an die alte Praxis des Prangers erinnert: das «public shaming» […]Das Netz bietet offenbar einer wachsenden Meute von ungesitteten Sittenwächtern ein geeignetes Habitat. Immer wieder hört man Geschichten, in denen eine Person «ertappt» worden ist, weil irgendein Troll aus irgendeinem Grund ihr Verhalten für irgendwie «beschämend» hält, sie denunziert, diffamiert, demütigt. Wie es scheint, installieren die Social Media den Pranger in moderner Form […] Beschämungen sind deshalb [wegen der Anonymität]weitaus ungehemmter und gemeiner, es gibt weder das Unbehagen, das Opfer leiden zu sehen, noch die Scham, Leid zuzufügen. Es fehlt das Medium des Mitleidens: die persönliche Nähe von Angesicht zu Angesicht. Die Anonymität anästhesiert den sozialen und moralischen Sinn. Der Mob, der so aburteilt, ist eine asoziale und amoralische, das heisst: inhumane Parajustiz.“
Die Anonymität scheint es also zu sein, die dem Übel zugrunde liegt. Doch es gibt auch User, die das Pferd von der anderen Seite her aufzäumen. Schreibt zum Beispiel Leser “R. Meier“ als Reaktion auf Eduard Kaesers Artikel:
“Die Kernfrage lautet, wieso stellen 0815-Leute, gerade bei Facebook, sich als erkennbare, reale Personen -was all dies ja erst ermöglicht!- mit Adresse usw. überhaupt "ins Netz"? Ich bin geneigt zu schreiben, selber schuld. […] Man soll sich gut überlegen, wo man im Internet den richtigen Namen hinterlassen will. Ist er nämlich einmal drin, bekommst du ihn garantiert nicht mehr raus, das gilt sogar hier in der Kommentarspalte.“
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