Tuesday, July 3, 2012

Das E-Book und der kleinste, gemeinsame Nenner

E-Book-Leser versorgen die Anbieter von Büchern mit wertvollen Daten, die unter anderem dazu beitragen sollen, dass die Bücher der Zukunft besser dem Massengeschmack entsprechen. Der Datenfluss vom einzelnen E-Buch zurück zum Verlag scheint gemäss einem Artikel des Wall Street Journals massiv zu sein.

An der Spitze der Verkaufshitparade: der
E-Reader von Amazon, genannt Kindle.
Lesen war doch mal etwas ganz Privates. Niemand wusste, wo man im Text gerade verweilte, welche Passagen oder gar Kapitel man sich mehrmals genehmigte – und im Gegensatz dazu, welche Teile eines Buches man nur schnell überflog. Doch mit dem Aufkommen des E-Buchs ist wohl auch die Einsamkeit des Lesers ein Ding der Vergangenheit. Zitat aus dem WSJ:
“Die wichtigsten E-Book-Herausgeber – Amazon, Apple und Google – können leicht verfolgen, wie weit die Leser in einem Buch kommen, wie lange sie lesen und welche Suchbegriffe zu einem Buch geführt haben. Apps für Tablet-Computer wie das iPad, das Kindle Fire und das Nook zeichnen auf, wie oft Nutzer die App öffnen und wie lange sie jedes Mal lesen. Einzelhändler und Verlage fangen langsam an, diese Daten auszuwerten.
Verlage hinken anderen Unterhaltungskonzernen weit hinterher, was die Erforschung der Vorlieben und Gewohnheiten der Verbraucher angeht. TV-Produzenten testen neue Sendungen mit Fokusgruppen, Filmstudios arbeiten ihre Filme sogar um, je nachdem, wie die Test-Zuschauer reagieren. In der Verlagsbranche wird die Leserzufriedenheit hingegen hauptsächlich durch Verkaufszahlen und Rezensionen gemessen. Diese Kriterien bieten jedoch nur nachträglich Informationen und helfen nicht dabei, einen Bestseller zu schaffen oder vorherzusagen. Doch das ändert sich gerade, da Verlage die Datenflut erforschen und Technologie-Firmen sich neuerdings auch für das Verlagswesen interessieren.
Die Buchkette Barnes and Noble, die durch ihren Nook-E-Reader 25 bis 30 Prozent des digitalen Buchmarktes kontrolliert, hat vor kurzem angefangen, das Leseverhalten der Nook-Nutzer zu erforschen. Laut Jim Hilt, Vizepräsident der E-Book-Abteilung bei Barnes and Noble, teilt das Unternehmen seine Erkenntnisse auch mit Verlagen, damit sie Bücher herausgeben können, die die Leser besser in ihrem Bann halten…“
Es gibt wohl gute Gründe, an dieser Art der Auswertung von Leserdaten zu zweifeln. Man sieht ja am Beispiel der Massenmedien ziemlich klar, wohin das Rennen zur Masse führt: Zum kleinsten gemeinsamen Nenner nämlich.  Man stelle sich vor, die Grossen der Literatur hätten mit diesem Phänomen kämpfen müssen:  “… also wissen sie Herr Dürrenmatt, ihr Sätze sind einfach immer noch zu lang. Wenn Sie Erfolg haben wollen, müssen sie da unbedingt ändern. Und können sie aus der alten Dame nicht was Junges, Fesches machen? Das verkauft sich doch einfach besser…“. 

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