Das wohl bekannteste Buch über den höflichen Umgang erschien erstmals im Jahre 1788. Schlechte Kommunikation scheint also durchaus kein digitales Phänomen zu sein. |
“Höflichkeit und Etikette sind keine Selbstverständlichkeiten mehr, sie sind schon fast passé. Und dies nicht nur im privaten, sondern auch im beruflichen Kontext. E-Mails, die vor rund zwanzig Jahren das Schreiben von Briefen und mittlerweile auch das Telefonieren weitgehend ersetzt haben, werden ohne Anrede immer üblicher, statt den «freundlichen Grüssen» genügen «Gruss» oder gar die Abkürzungen «Mfg» und «Lg».Was tun? Ist es überhaupt möglich und wünschenswert, diese Entwicklung zu verlangsamen, oder sind es nur die Ewiggestrigen, die sich über den Verlust der Umgangsformen aufregen? Im privaten Umgang mit WhatsApp, SMS und E-Mail muss wohl jeder selber entscheiden. Im Geschäftsleben kann die richtige digitale Kommunikation durchaus über Erfolg oder Misserfolg entscheiden.
Joachim R. Höflich, Professor für Kommunikationswissenschaft an der Universität Erfurt, bestätigt diese Entwicklung: «Herkömmliche Muster haben sich aufgelöst. Forschheiten nehmen zu.» […] Viele von Höflichs Kollegen sind mittlerweile dazu übergegangen, Mails mit gravierenden Formfehlern nicht mehr zu beantworten, denn die fehlende Form führt nicht selten zu fehlender Distanz. «Assistenten werden per Mail markant attackiert», erzählt Höflich, «in einem Ausmass, das zur Briefzeit nie möglich gewesen wäre.» Wenn er seine Studierenden frage, welche Höflichkeitsformen sie kennten, herrsche grosses Schweigen: «Sie haben den Begriff nicht mehr im Kopf. Höflichkeit gilt für sie als Relikt vergangener Zeiten.» Es versteht sich von selber, dass mit der Höflichkeit auch Respekt verloren geht. Und damit auch soziale Kompetenz, die immer auch ein Ausloten von Nähe und Distanz umfasst. «Doch wer grüsst heute noch oder hält die Türe auf?», sagt Höflich und fügt vielsagend hinzu: «Eine E-Mail kann nicht höflicher sein, als die Gesellschaft, in der sie geschrieben wird.»
Es geht weniger darum, bestimmte Regeln einzuhalten als vielmehr darum, sich der Konsequenzen unserer Worte und unseres Tuns bewusst zu sein.
ReplyDeleteImmer wieder erlebe ich in der Kommunikation im Alltag einen – möglicherweise etwas verblüffenden - Grund dafür, dass der „Sender” oder die „Senderin” anderen gegenüber deshalb wenig Respekt und Wertschätzung entgegenbringt, weil er oder sie genau diese beiden Aspekte auch sich selbst gegenüber vermissen lässt. Diese Menschen fühlen sich ruhelos, gehetzt und oft unglücklich:
- Sie stehen unter Zeitdruck.
- Sie laufen im Hamsterrad und halten die dortigen Sprossen für die Stufen auf der Karriereleiter.
- Sie demonstrieren ihre persönliche Wichtigkeit über den Zustand des „Beschäftigtseins”.
Um ihrer eigenen Gesundheit willen ist es daher wertvoll, wenn ein Adressat sie darauf hinweist, was er „zwischen den Zeilen” erkennt. Harmonisch, achtsam und sorgfältig kommunizieren ist zuallererst ein Geschenk an uns selbst. Dass wir damit beim Adressaten „gut ankommen”, ist das Sahnehäubchen.