Tuesday, April 9, 2013

Digitale Privatsphäre, aber nicht für alle

Nach zwei, drei Tagen Riesenrummel ist es wieder etwas ruhiger geworden um die internationale Enthüllungsaktion Offshore-Leaks, die einen riesigen Berg an privaten Bankdaten, die aus anonymer Quelle stammen, auf den globalen News-Markt geworfen hat. Davon betroffen waren vorwiegend sehr vermögende Zeitgenossen, die ihr Geld in steuerfreundlichen Gefilden angelegt hatten. Die Aktion lässt allerdings nicht nur Schadenfreude, sondern  auch Datenschutzbedenken aufkommen.

Über die Welt verteilt: Offshore-Finanzplätze (zum Vergrössern anklicken)
Quelle: Wikipedia
Das Mitleid mit den betroffenen Anlegern hält sich in Grenzen: Die meisten Medien, ihre Konsumenten und natürlich auch die Regierungen, üben sich in unverhehlter Schadenfreude. Schliesslich sind es nur  die Reichen, die hier blossgestellt werden, deren private Daten weltweit breitgeschlagen werden. Allerdings macht es auch in der schadenfreudigen digitalen Neidgesellschaftdurchaus Sinn, etwas genauer nachzulesen und nachzufragen. So fällt zum Beispiel auf, dass in der Offshore-Leaks-Berichterstattung immer wieder bemerkt wird, dass es unklar sei, ob die betroffenen Anleger illegal gehandelt hätten. Das ist aber in den Augen der Enthüller und ihrer Supporter reine Nebensache:  Schliesslich gehe es hier um “nichts anderes als um Offenlegung von Herrschaftsstrukturen. Verheimlichungen, Vertuschungen, Verwirrspiel in verschachtelter Form um alle Ecken der Welt herum; sowas kann nicht der Einfachheit, der Transparenz und dem Fairness-Gebot demokratischer Gepflogenheit dienen“, gibt ein NZZ-Online-Leser zum Besten und fasst damit wohl ziemlich genau die Motive der Enthüllungsjournalisten und ihrer Helfer zusammen. Die Frage ist nur: Bei welchem Anlagebetrag fängt der Zweck an, die Mittel zu heiligen? Schon bei 100‘000 Franken, einer Million oder erst bei 10 Millionen?
Einer der wenigen Journalisten, der die Offshore-Leak-Geschichte kritischer betrachtet, ist der Medienredaktor der NZZ. Rainer Stadler schreibt:
“Wie sicher sind meine persönlichen Daten, die an diversen Orten elektronisch abgespeichert sind? Was, wenn irgendeiner eine Datenbank abschöpft und meine Daten als Beifang irgendwo auf einer Redaktion landen? Selbst wenn die betreffenden Journalisten seriös arbeiten, hätte ich keinerlei Sicherheitsgarantien. Die Privatsphäre ist im digitalen Zeitalter mehr denn je gefährdet.[…] Politiker äussern bereits die Forderung, die Redaktionen müssten die «Papiere» herausrücken. Das werden diese bestimmt nicht tun, weil sonst ihr Geschäftsmodell ruiniert wäre. Die Redseligen bekämen nie mehr geheime Dokumente zugesteckt. Geheimniskrämerei steht aber im Widerspruch zur Transparenzforderung der Medien – eine ätzende Ironie solchen Datenhandels.“
Noch kritischer sieht die deutsche Tageszeitung die Welt die Angelegenheit. Unter dem Titel: "Heute Reiche, morgen Arme - Jeder ist vogelfrei", schreibt das Blatt:
"In der Steueroasen-Affäre geht es nicht um Gerechtigkeit. Hier wird nach Stimmungslage und gegen jede rechtsstaatliche Praxis verdächtigt und veröffentlicht. Niemandes Daten sind mehr sicher. [...] Wenn es moralisch oder sonstwie kommod erscheint, kann jeder heutzutage bis aufs Hemd ausgezogen und "veröffentlicht" werden. Da hilft kein Datenschutz. Der Leaker ist immer in der Vorderhand. Und was heißt das? Heute die "Reichen" und morgen die "Armen". Wer jetzt denkt: "Was habe ich schon zu verlieren?", der wird erst aufwachen, wenn sie unwiederbringlich perdu ist, die Privatsphäre."

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