Tuesday, June 13, 2017

Die reichen Schweizer und die Angst der Händler vor Amazon

Die Schweizer verfügen im Durchschnitt über deutlich mehr Kaufkraft,als die Verbraucher in den umliegenden Ländern. Trotzdem sind auch Schweizer Kunden sehr preisbewusst – woher die Produkte kommen, die sie kaufen, spielt für viele Konsumenten keine Rolle, solange sie billig sind.  

Kaufkraft der Schweizer: die Top 10 Kantone 2017 (zum Vergrössern bitte
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Dass der Einkauf im Ausland der Schweizer Wirtschaft im Allgemeinen und dem Detailhandel im Besonderen nicht zuträglich ist, haben viele Detailhändler spätestens gemerkt, als die Nationalbank im Januar 2015 +die Bindung des Frankenkurses zum Euro gekappt hat. Der starke Franken führt seither dazu, dass unzählige Schweizer die Läden in den Grenzregionen der Nachbarländer unsicher machen – zur Freude der dortigen Einzelhändler und zum Schaden der einheimischen Detaillisten.Was viele dieser Konsumenten mit Bedacht ignorieren, ist der Zusammenhang zwischen der vergleichsweise hochpreisigen Schweiz und den ebenfalls vergleichsweise hohen Löhnen, die an Schweizer Arbeitnehmer bezahlt werden. Diese Ignoranz gilt natürlich auch im Onlinehandel, wie der E-Commerce-Report 2017 der Fachhochschule Nordwestschweiz bestätigt. Aus der Handelszeitung:
“Im Markt, der pro Jahr Bestellungen im Gesamtwert von über 8 Milliarden Schweizer Franken generiert, ist vieles im Fluss und die Konkurrenz enorm. Sie kommt für Schweizer Shops vor allem auch von aussen: Waren im Wert von 1,55 Milliarden Franken verkauften ausländische Anbieter 2016 an Schweizer Kunden. Knapp 20 Prozent der Schweizer E-Commerce-Ausgaben gehen damit ins Ausland – eine Verdopplung in nur vier Jahren. Die seit 2015 verschärfte Abwertung des Euro hat diesen Trend noch beschleunigt. Detailhändler in Deutschland, Frankreich, Italien und Österreich haben um 35 Prozent niedrigere Kosten, was bei Waren durchwegs – ausser bei IT und Unterhaltungselektronik – zu tieferen Einstandspreisen führt. […] Allgegenwärtiges Thema für Schweizer Onlinehändler ist Amazon. 2016 erhöhte Amazon Deutschland seinen Umsatz in Euro um 20 Prozent. Wie hoch der Zugewinn in der Schweiz ist, verschleiert der Konzern. Alle Studienteilnehmer des E-Commerce-Reports gehen aber davon aus, dass sich Amazon in der Schweiz stark überdurchschnittlich entwickelt und entsprechend Marktanteile gewinnt.“
Diese Entwicklung überrascht nicht. Der Schweizer Markt ist für ausländische Händler attraktiv, weil die Schweizer über eine vergleichsweise sehr hohe Kaufkraft verfügen. So prognostiziert das Marktforschungsunternehmen GfK für das Jahr 2017 eine Kaufkraft von 42‘142 Euro je Einwohner der Schweiz. Die Gesamtsumme der Kaufkraft in der Schweiz liegt damit  bei 350,9 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Deutsche Verbraucher haben im Jahr 2017 eine durchschnittliche pro-Kopf-Kaufkraft von nur 22‘239 Euro, die Österreicher haben 22‘597 Euro zur Verfügung. Das ist grade mal gut die Hälfte. Die Kaufkraft misst das nominal verfügbare Nettoeinkommen der Bevölkerung inklusive staatlicher Leistungen wie Arbeitslosengeld, Kindergeld oder Renten. Wer mit einem Schweizer Einkommen im Ausland einkauft, hat also einen doppelten Vorteil: Mehr Kaufkraft und dazu noch billigere Preise.

Kein Wunder, dass es so viele Schweizer Konsumenten tun, so lange es noch funktioniert.

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