Nun ist es also möglich, in der Schweiz einen Arzt zu konsultieren, ohne dass man dessen Praxis besucht. Eine neu lancierte Webplattform will es allen registrierten Schweizer Ärzten ermöglichen, Online-Sprechstunden durchzuführen. Die Vorteile der Plattform seien vielfältig, teilen die Initianten mit. So könne beispielsweise der Patient auch aus dem Ausland während der Sommerferien einen Arzt zuhause kontaktieren. Und auch Bewohner in abgelegenen Regionen hätten auf diese Weise einfachen Zugang zu Fachspezialisten in Zürich, Bern oder Genf, um Vorabklärungen oder Nachbehandlungen mit dem Arzt zu besprechen. Es gibt allerdings auch kritische Stimmen.
Auf deindoktor.ch sind nach Angaben der Initianten bereits rund 80 Ärzte registriert, die bereit sind, sich Patienten per Internet anzushenen und anzuhören. Screenshot |
Der neue Service erspare einerseits dem Patienten Zeit und Reisekosten und entlaste andererseits das Wartezimmer des Arztes. Rund 80 Ärzte hätten sich bereits für den neuen Service angemeldet, darunter Allgemeinärzte, Dermatologen, Schönheitschirurgen und Psychiater, teilten die Initianten mit. Technisch wird die Arztkonsultation durch eine sichere und zertifizierte Verbindung direkt im Browser dargestellt. Nach der Online Sprechstunde erstellt das System automatisch eine Arzt- Rechnung, die gemäss Tarmed Tarif System berechnet und bei der Krankenkasse als Rückerstattungsbeleg eingereicht werden kann. Zusätzlich wird dem Patient eine Service-Pauschale von 9,99 Franken für die Bereitstellung der Dienstleistung verrechnet. Eine zehnminütige Sprechstunde mit einem qualifizierten Arzt im Kanton Zürich kostet so zum Beispiel Franken 33,70, wovon 23,71 rückerstattbar sind. Der Arzt kann dem Patient während der Fernkonsultation auch ein elektronisches Rezept ausstellen, das vom Apotheker ebenfalls online überprüft werden kann, so dass der Patient schnell notwendige Medikamente beziehen kann.
Dr. Peter Tschudi leitet in Basel das erste Schweizerische Universitätsinstitut für Hausarztmedizin und unterrichtet dort angehende Ärzte. Seiner Meinung nach handelt es sich hierbei um eine problematische Entwicklung, wie er gegenüber dem Nachrichtenportal watson.ch erklärt:
“Ich predige meinen Studenten vom ersten Tag an, dass es für eine ordentliche Diagnose ein Gespräch und eine Untersuchung braucht. Ersteres ist meinetwegen via Webcam noch möglich, Letzteres aber auf keinen Fall.» Um entscheiden zu können, wie gut oder schlecht es einem Menschen geht, sei der Eindruck entscheidend: «Wenn ich sehe, wie ein Patient im Wartezimmer aufsteht und sich ins Sprechzimmer bewegt, kann ich seinen Zustand innerhalb von Bruchteilen von Sekunden einschätzen. Per Webcam habe ich da keine Chance», so Tschudi. Er könne sich durchaus vorstellen, dass dies einen Anreiz biete, den Doktor auszutricksen und sich so ein Arztzeugnis zu erschleichen.“
Was das Simulanten- oder Hypochonderrisiko betrifft, ist man bei den Krankenkassen, die ja den grösseren Teil der Kosten für derartige Fernkonsultationen zu bezahlen haben, weniger kritisch. Der Pressesprecher des Krankenkassenverbandes Santésuisse gegenüber watson.ch sagt:
“Sofern die Online-Sprechstunde ordnungsgemäss von einem professionellen Mediziner durchgeführt wird, halten wir das Missbrauchsrisiko nicht für höher als in einer ‹physischen› Sprechstunde. Auch da kann man gewisse Symptome simulieren, wenn man denn betrügen will.“Ganz neu sind ja Fernkonsultationen nicht. Ähnliche Dienstleistungen gibt es auch in anderen Ländern – oft basieren sie auch auf telefonischen Gesprächen. Allerdings führen Konsultationen dieser Art eben sehr oft wieder zum althergebrachten Arztbesuch. Wenn der geringste Zweifel besteht, wird sich ein seriöser Arzt nämlich hüten, eine Ferndiagnose zu stellen…
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