Monday, August 27, 2018

Einkaufen für ein Selfie - dann retournieren

Das Retournieren von im Internet gekauften Waren ist wieder einmal in den Schlagzeilen - aus guten Gründen. Ein Studie von Barclaycards hat ergeben, dass fast jeder zehnte Shopper schon Kleidung online gekauft hat, nur um damit auf Social Media zu posieren. Dann werden die Produkte zurückgeschickt.

Er hat 43 Bilder von sich selbst gemalt - und dabei mit Sicherheit
Kleider getragen, die er nicht returniert hat.          Bild Wikimedia
Neu ist das Phänomen der Retouren im Internet-Shopping nicht - wir haben schon vor Jahren darüber berichtet. Allerdings herrschte damals bei den Händlern noch die Gewissheit, dass man dieses Kundenverhalten mit genügend Informationen und gutem Kundendienst vermindern könne:  Eine detaillierte Produktbeschreibung und eine genaue Produktdarstellung seien die Voraussetzung für weniger Rücksendungen, war die Schlussfolgerung einer Untersuchung im Jahr 2013.
Das war ein Irrtum. Rücksendungen werden heute zum grössten Teil nicht durch unpassende Produkte, sondern durch die Eitelkeit und Social-Media-Tätigkeit der Kunden getrieben. Rücksendungen sind zu einem immer grösseren Problem geworden - sowohl für die Händler, als auch für die Umwelt. Und die Ethik der Kunden scheint sich Jahr um Jahr zu verschlechtern. Wie die Barclaycards-Studie zeigt, sind es nicht etwa die ganz jungen Shopper, welche das System am schlimmsten ausnutzen, sondern Shopper, die zwischen 35 und 44 Jahre alt sind. In dieser Gruppe geben 17 Prozent an, dass sie schon mal Kleider und Mode-Accessoires bestellt haben, mit der festen Absicht, sie nach kurzer Verwendung wieder zurückzuschicken. Wie konnte es soweit kommen?
Gesetzliche Grundlagen geben den Kunden das Recht, Waren, die nicht passen, zurückzusenden. Die meisten Händler sind sehr kulant und verrechnen keine Kosten für diesen Service - weil sie Angst haben, Kunden zu verlieren. Händler hätten denn auch eine Mitschuld an diesen „anstandslosen“ Bestellungen, schreibt die SZ:
“Für die Händler sind die maß- und anstandslosen Besteller ein Ärgernis. Allerdings haben sie die Kostenloskultur mit Werbesprüchen wie "Schrei vor Glück oder schick's zurück" auch selbst herangezüchtet. Die Bearbeitung einer Retoure kostet durchschnittlich zehn Euro; die Unternehmen zahlen nicht nur Porto, sondern müssen auch den Zustand der Ware erfassen: Darf die Bluse direkt wieder in den Handel oder muss sie erst gebügelt werden? Manche Teile sind durch Reinigen oder Waschen nicht zu retten. Noch aufwendiger ist die Prüfung technischer Geräte wie Laptops oder Digitalkameras. Mitarbeiter kontrollieren, ob alles noch tadellos funktioniert - oder eben nicht. Trauriges Resultat dieser Untersuchungen: Nur 70 Prozent der zurückgesandten Artikel können wieder als makellose A-Ware angeboten werden, wie Studien belegen.“
Diese Rücksende-Flut produziert deshalb auch massenweise Abfall:
“In "großem Umfang" werden laut Medienberichten in den deutschen Logistiklagern Waren aller Art in die Müllpresse geschickt und entsorgt. Mit der Versandmethode "destroy", zerstören, können auch externe Anbieter Retouren beseitigen lassen. Die Bundesregierung spricht von einem "riesengroßen Skandal", der frühere Umweltminister Klaus Töpfer hält die Praxis für "unverantwortlich", und auf Twitter fordert einer schon "#amazon abschalten".
 Möglicherweise wird dem verantwortungslosen Verhalten vieler Shopper ein Riegel geschoben: Grosse Händler haben angefangen, Kunden, die zu viel retournieren, zu sperren, und es werden (vor allem in Deutschland) auch Stimmen laut, die vom Gesetzgeber verlangen, Retouren nicht mehr kostenlos zu akzeptieren. Und vielleicht wird ja irgendwann auch Anstand wieder mal Mode - vielleicht dann, wenn Selfies nicht mehr das Mass aller Dinge sind…

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