Tuesday, May 31, 2016

Wenn das neue Handy mit der Pizza kommt

Ein Schweizer Elektronikgeschäft will sich mit der superschnellen Warenlieferung profilieren: Es liefert Express-Produkte, die bis 18 Uhr bestellt werden, vor 21 Uhr aus – selbstverständlich am selben Tag. Damit setzt sich der Händler vor allem auch von den grossen internationalen Internet-Shops ab: Kunden, die lokal bestellen werden blitzschnell beliefert - zum Beiepiel von einem Pizzakurier.

Lokal, digital, schnell: Die Lieferung am gleichen Tag ist möglich, weil sie
auch durch bestehende Netzwerke - wie zum Beispiel Pizzakuriere - läuft.
                                                                                   Screenshot Steg Electronics
Das Distributionskonzept von Steg Electronics ist tatsächlich innovativ und passt hervorragend zum Same-Day-Delivery-Trend: Für die Lieferung wird neu mit Taxiunternehmen, Restaurants und Pizza-Kurierdiensten kooperiert. Mit diesen Partnern schafft es der Multichannel-Anbieter, der sowohl Computer, als auch Unterhaltungs- und Heimelektronik verkauft, den Bedürfnissen jener Kunden entgegenzukommen, die ihre Bestellung sofort – oder zumindest so schnell wie möglich erhalten möchten. Steg setzt sich damit auch von internationalen Grosshändlern ab: Wer lokal bestellt, wird am schnellsten beliefert, von lokalen Lieferanten. 
Das Angebot gilt für 13 Regionen. Ob Same Day Delivery auch für die eigene Adresse gilt, lässt sich auf der Website via Postleitzahl-Check herausfinden.

Wer also heute plötzlich Lust auf einen Heimkino-Abend hat und dafür noch einen Beamer braucht, erhält diesen bis 21 Uhr nach Hause geliefert. Das Angebot gilt für unzählige Produkte; sie sind im Webshop mit Steg Express gekennzeichnet. Wer express bestellt und ein Bild des gelieferten Artikels auf Twitter oder Facebook teilt, wird übrigens mit einem Gutschein für den nächsten Einkauf belohnt.
Auch im digitalen Zeitalter, so zeigt dieses Beispiel,  kann der lokale Handel sehr vorteilhaft sein - für die Kunden, den Händler sowie für die beteiligten Lieferanten - also für den gesamten lokalen Wirtschaftsraum. 

Friday, May 27, 2016

Die Digitalisierung bringt die lokale Produktion zurück

Die Herstellung von Produkten im fernen Asien ist nicht mehr, was sie einmal war; die Preise sind gestiegen, Zölle und Zollformalitäten erschweren den Import der Waren, und die Bevölkerung glaubt nicht mehr uneingeschränkt an die Vorteile des globalen Handels – wie der Streit um TTIP, das Transatlantische Handelsabkommen beweist. Zum Glück gibt es die digitale Transformation. Diese macht es möglich, Produkte wieder vor Ort herzustellen, effizient und in hoher Qualität. Der Markengigant Adidas will es vormachen.

Die Autoindustrie hat es vorgemacht. Nun hält die automatische Fertigung auch
im Sportartikelbereich Einzug - und zwar auf lokaler Ebene.             Bild Adidas
Speedfactory heisst das Konzept, das Adidas dieser Tage in Franken in Deutschland vorstellte. In diesen Fabriken sollen Sportartikel schneller als je zuvor hergestellt werden. Und zwar genau dort, wo diese Artikel gebraucht werden und verkauft werden können. In der Speedfactory kommt intelligente  Robotertechnologie zum Einsatz, mit der Qualitätsprodukte  gefertigt werden können;  auch individuelle Schuhdesigns sind möglich. Die ersten 500 Paar Laufschuhe, die so hergestellt werden,   will   Adidas  in   der   ersten   Jahreshälfte   2016  präsentieren.   Die kommerzielle Serienproduktion soll in naher Zukunft starten. Das Ziel: “flexibel, lokal und auf kleinstem Raum zu produzieren.“
Das Konzept besticht durch verschiedene Vorteile. Die hochentwickelten Industriegesellschaften haben die Ressourcen, derartige High-Tech-Kleinfabriken aufzustellen. Die schafft wirtschaftliche Aktivität vor Ort, mit qualifizierten (allerdings verhältnismässig wenigen Arbeitsplätzen). Auch auf die Umwelt könnte sich die Herstellung in lokalen Kleinfabriken durchaus positiv auswirken, da lange Transportwege entfallen. Heute braucht ein Schuh rund drei Monate, von der Bestellung bis zur Lieferung in Europa. Die Herstellung eines Schuhs in der neuen Fabrik dauert knapp fünf Stunden:
“Wie eine Turnschuhfabrik sieht die Halle im mittelfränkischen Ansbach nicht aus, sondern eher wie eine Produktionsanlage für Computerchips: Die Wände sind schneeweiß, es gibt keine ratternden Nähmaschinen, nur eine Handvoll Mitarbeiter arbeitet an den Apparaten, ein Roboterwagen fährt zwischen zwei Maschinen hin und her und transportiert zugeschnittene Stoffe […] Doch in nur etwa fünf Stunden entsteht hier aus Garn, vier verschiedenen Kunststoffkügelchen und einem Paar Schnürsenkel ein Adidas-Laufschuh.In der Halle in Ansbach arbeiten gleich ein halbes Dutzend Maschinen zusammen, um die Schuhe zu produzieren. Eine Strickmaschine stellt zunächst den Stoff für die Oberfläche der Sneaker her, eine weitere schneidet ihn mit einem Laser zu. Auf der anderen Seite der Halle wird derweil aus Kunststoffteilen die Sohle gespritzt und zusammengesetzt. Auch Sohlen aus dem 3D-Drucker sollen künftig möglich sein. Statt Oberteil und Sohle am Schluss wie bisher zu verkleben, erhitzt eine weitere Maschine die Teile und schweißt sie zusammen.“  
Die Gefahr, dass man in Zukunft gar ganz ohne Menschen Sportartikel herstellen wird, bestehe aber nicht, beteuert man bei Adidas:
“Wir werden in der Speedfactory auch Menschen in der Produktion beschäftigen, die bestimmte Arbeitsschritte händisch ausführen.“ Ähnlich wie in anderen Bereichen auch sei zwar vieles technisch machbar, kostentechnisch aber nicht immer unbedingt sinnvoll.“

Tuesday, May 24, 2016

Lieber Faxen als mit dem Tablet Faxen machen

40 Jahre ist es her, dass in der Schweiz die ersten Fernkopien per Telefax versandt wurden. Das war eine teure Angelegenheit und fand vorerst nur in einigen PTT-Filialen statt. Vor allem in Unternehmen hielt der Fax dann im folgenden Jahrzehnt schnell Einzug – die Geräte waren allerdings immer noch vergleichsweise gross und umständlich zu bedienen. Eigentlich könnte man davon ausgehen, dass sich der Fax im Internetzeitalter erübrigt – dem ist aber nicht so. Für viele Office-Mitarbeiter ist der Fax immer noch ein essentielles Instrument.

Fax-Geräte im Jahr 2016: Klein und billig - und immer noch beliebt.
                                                                                                   Screenshot Amazon
In der Redaktion der Luzerner neusten Nachrichten stand schon ein Faxgerät, als die Zeitungsseiten noch mit Blei gesetzt wurden (ungefähr 1982, soweit ich mich erinnern kann). Die Kiste war so hoch wie ein Stehpult, funktionierte aber hervorragend wenn es darum ging, zusammengeklebte redigierte Manuskripte in die Setzerei zu faxen. Seither hat sich der Datenstrom verlagert – von der analogen Telefonleitung ins Internet. Zitat aus dem Tagesanzeiger:
“Am 1. Mai 1976 starteten die schweizerischen PTT-Betriebe einen völlig neuen Dienst. Faxogramm nannten sie ihn. Das Angebot war vorerst nur als einjähriger Versuch angelegt. In sechs Städten konnten Kunden fortan Faksimile aufgeben und empfangen. «Das konkrete Bedürfnis lässt sich im Augenblick nicht feststellen», schrieb der Staatskonzern als Begründung. Die Entwicklung im Ausland lasse aber auf ein «latentes Interesse schliessen». Das neue Angebot war in Sachen Anwendungsbreite zwar dem Telex oder dem Telegramm überlegen. Aber es war sehr teuer. Der Versand von fünf A4-Seiten kostete 32 Franken. 6 Franken fielen pro Blatt an, hinzu kam eine Grundgebühr von 2 Franken. Wollte der Sender, dass sein Faxogramm dem Empfänger direkt ins Büro gebracht wird, musste er noch mehr zahlen. Dann kam die Taxe für Expresszustellung durch den Postboten hinzu. Und auch Geduld brauchte es. Ein fünfseitiges Dokument benötigte 34 Minuten, um von Poststelle zu Poststelle zu gelangen. Kein Wunder: Mit 50 Baud war die Übertragungsgeschwindigkeit 2000-mal langsamer als eine durchschnittliche Internetverbindung heute.“
Trotzdem hält sich der Fax hartnäckig in der Gilde der Kommunikationsmittel. Gemäss Tagi gibt es im Swisscom-Telefonbuch immer noch 165‘000 Faxeinträge. Firmen, die Fax-Dienste anbieten, berichten von zweistelligen Wachstumsraten. Weshalb ist das so? Ein Grund sei die Datensicherheit:
“Viele Nutzer schätzen, mit Sicherheit zu wissen, dass ihre Nachricht beim Empfänger angekommen ist. Die Mitteilung «Sendung OK» wird nur angezeigt, wenn die Übertragung auch tatsächlich stattgefunden hat. […] Auch Lesebestätigungen bei E-Mails sind weniger zuverlässig. Zudem haben Hacker beim Fax keine Chance. Der global verwendete G3-Faxstandard auf Basis des sogenannten ­T-30-Protokolls gilt als extrem sicher. Jeder Versuch, eine Sendung abzufangen oder zu verändern, würde umgehend zu einem Abbruch führen. Daher wird dem Fax in der Geschäftswelt auch heute noch höhere Gültigkeit zugesprochen als dem E-Mail. «Per Fax versendete, unterschriebene Dokumente sind im Geschäftsverkehr oft anerkannt», erklärt Swisscom-Sprecher Armin Schädeli.“
Faxen ist auch deshalb populär, weil es einfach und billig ist. Auch wir haben ein Faxgerät im Büro und setzen es ab und zu ein. Ein bereits bestehendes Papierdokument kann per Fax blitzschnell in einem Schritt - ohne vorheriges Scannen – verschickt werden. Das ist wohl auch der Grund dafür, dass ein grosser Teil der Beamten in der EU den Fax immer noch als essentielles Arbeitsinstrument betrachtet, wie eine Umfrage dieser Tage ergeben hat. Der Fax schlägt dabei sogar Tablets und Smartwatches!

Friday, May 20, 2016

Kunden möchten Menschen – und bekommen Technologie

Die Digitalisierung ist in aller Munde – viele Unternehmen haben Angst, den Anschluss zu verpassen. Dabei sind es nach wie vor menschlichen Kontakte, welche Kunden glücklich machen und die Umsätze nach oben treiben. Das gilt vor allem im Detailhandel. Laut einer globalen A.T.Kearney Studie geben zu viele Händler zu viel Geld für Technologien aus – und vernachlässigen ihre wichtigsten Werttreiber: die Mitarbeiter in der Filiale.

Einkaufen im Netz ist einfach und attraktiv. Viele Kunden bevorzugen es aber
immer noch, mit einem menschlichen Verkäufer sprechen zu können.    
                                                                                            Screenshot via Amazon
Detailhändler befänden sich in einem regelrechten “Multichannel- und Technologie-Hype“, sagt zum Beispiel Mirko Warschun von der Managementberatung A.T. Kearney. Deren neuster Report zeigt, dass zwei Drittel der Handelsunternehmen in Technologie investieren, deren Rentabilität sie nicht kennen, aber darauf zählen, dass die Interaktion mit den Kunden vereinfacht werden. Das Ergebnis, so Warschun, sei “weniger Kundennähe denn je“.
Die globale Umfrage zeigt, dass vor allem in mobile Applikationen und Checkout-Prozesse investiert wird – obwohl 90 Prozent des Verkaufs immer noch in der Filiale stattfindet. Der A.T. Kearney-Experte findet das unlogisch:
“Die Filialisten setzen auf Technologien, wo es doch auf Menschen ankommt. Und das obwohl die Kunden angeben, einen schwachen Service zu erleben, wenn sie es in der Filiale nicht mit Menschen, sondern mit Technik zu tun hätten.“
Es ist tatsächlich erstaunlich, dass bei Investitionen für die Digitalisierung im Handel oft blind geflogen wird. Eine Mehrheit von Unternehmen gibt nämlich an, hinsichtlich des Wertbeitrags ihrer Investitionen keine Durchsicht zu haben – unter anderem deshalb, weil sie nicht genau wüssten, wie sie die Rentabilität der Ausgaben für neue Technologien messen könnten.
Konsumentenbefragungen  (in den USA) ergeben ebenfalls eine eklatante Diskrepanz zwischen den Anstrengungen der Handelsunternehmen und den Kundenerwartungen. Während die Anbieter um die kürzesten Lieferzeiten wetteifern – von Lieferung am nächsten Tag bis zu innerhalb einer Stunde – sagen drei Viertel der befragten Kunden, mit zwei Tagen Lieferzeit durchaus zufrieden zu sein. Ihnen käme es vor allem darauf an, dass die angekündigte Frist zuverlässig eingehalten werde – das sei ihnen wichtiger als die Bestellung sofort zu erhalten. Die Schlussfolgerung von Mirko Waschun: Der Faktor Mensch müsse auch bei der Digitalisierung im Vordergrund stehen:

“Menschen sind immer noch die beste Investition im Einzelhandel. Filialmitarbeiter sind die wertvollste Ressource, die Handelsunternehmen haben, doch im Wettrennen um die besten Multikanal-Angebote verlieren die Händler aus dem Blick, was im Handel wirklich werttreibend ist: herausragende Kundenerlebnisse und für die braucht es Menschen, nicht Maschinen. Deswegen empfehlen wir Technologie so einzusetzen, dass sie den Verkäufer stärkt, anstatt ihn zu ersetzen.“

Tuesday, May 17, 2016

Fog, Cloud und das Internet der Dinge

Cloud-Computing wird nicht nur in Unternehmen eingesetzt, sondern auch von den allermeisten End-Usern, wenn auch oft völlig unbewusst. Doch die digitale Welt ist in ständiger Bewegung,  und deshalb wabert jetzt plötzlich digitaler Nebel  um die digitale Wolke. Schuld daran ist das Internet der Dinge.

Geprägt hat den Begriff vom Fog-Computing der amerikanische Konzern Cisco, der selbstverständlich auch Fog-Computing-Lösungen anbietet. Und obwohl Wolken und Nebel aus dem meteorologischen Wortschatz stammen, haben sie hier weniger mit dem Wetter, als mit der digitalen Umwelt zu tun. (Dass die englischsprachigen Fachausdrücke aus der IT-Branche sich jeweils blitzschnell im neudeutschen Sprachgerbrauch etablieren, daran haben wir uns inzwischen gewöhnt, auch wenn sie anfänglich oft ziemlich lächerlich erscheinen.)
Doch worum geht es denn nun beim Fog-Computing? In welchem Zusammenhang steht es zum Cloud-Computing, und wieso wird es oft im Zusammenhang mit dem Internet der Dinge (IoT) genannt? Eine gute - und kurze – Erklärung dafür findet sich auf der Website der diesjährigen CeBit:
Weil viele IoT-Geräte klein sind, mit wenig Strom auskommen müssen und sehr eng definierte Funktionen haben, benötigen sie sozusagen einen großen Bruder, der ihnen richtige Rechenleistung zur Verfügung stellt. Das erledigt die Cloud perfekt. Doch wenn Informationen nur lokal und für kurze Zeit gebraucht werden, sieht die Situation anders aus. Solche Daten müssen schnell und am besten vor Ort verarbeitet werden. Eine Speicherung der Daten ist nicht nötig. In so einem Fall bietet Fog Computing die richtige Lösung. Die Technik, früher auch als Edge Computing bezeichnet, verarbeitet Daten nicht zentral, sondern an den Rändern des Netzwerkes. Weil die Rechenleistung und der Strombedarf von Prozessoren in den letzten Jahren extrem verbessert wurden, sind heute sehr kleine Computer in der Lage, komplexe Berechnungen durchzuführen. Ein Beispiel für ein mögliches Fog-Computing-Szenario ist die zukünftige Car-2-Car Kommunikation in Notfällen. Wenn ein Fahrzeug auf der Autobahn eine Notbremsung einleitet, sollten andere Fahrzeuge im Umkreis einiger Hundert Meter darüber informiert werden, um Auffahrunfälle zu vermeiden. Die Beschleunigungsdaten erst durch die Cloud zu einem Rechenzentrum zu schicken, dann alle relevanten Fahrzeuge zu bestimmen und die Informationen an diese zurückzugeben ist zu aufwändig. Hier muss die Datenverarbeitung mit den entsprechenden Konsequenzen – der Benachrichtigung benachbarter Fahrzeuge – durch lokale Rechenleistung erfolgen." 
Man könne sich Fog-Computing wie eine zusätzliche Schicht zwischen Datenerzeuger und Cloud vorstellen, schreiben die Autoren. Diese  lokale Entscheidungs- und Verarbeitungsebene, die nachgeordnete Instanzen entlastet, bereite Daten nach vorgegebenen Regeln auf und verbessere dadurch die Antwortzeiten, reduziere den Bandbreitenbedarf für eventuell nötige Cloud-Verbindungen und verringere die benötigte Speicherkapazität im Rechenzentrum.
Gemäß Manfred Bauer von Sisco Deutschland, trägt Fog-Computing auch zur erhöhten Sicherheit bei:
Während Cloud-Computing für große zentralistische Rechenzentren steht, beschreibt Fog-Computing verteilte Mikro-Recheneinheiten in der Nähe der Endgeräte. Indem die Datenverarbeitung beim Fog-Computing lokal erfolgt, verringert sich die Menge der übertragenen Daten zu den zentralen Rechenzentren. Dies entlastet nicht nur die Übertragungswege, sondern senkt auch den Bedarf an Speicherplatz. Gleichzeitig erhöhen sich Datensicherheit und Servicequalität, da sich Daten nicht mehr im Internet ausspionieren lassen und schnellere Reaktionen möglich sind. So können die Netzwerkgeräte anfallende Daten sofort selbst bearbeiten und Entscheidungen vor Ort treffen.“

Thursday, May 12, 2016

Die digitale Gesellschaft lässt Ihr Gehirn "schrumpeln

Das Internet bilde das Gehirn um, haben Bildungsforscher schon vor Jahren argumentiert (und wir haben hier darüber berichtet). Wissenschaftler, die sich mit der Hirnforschung befassen, wissen inzwischen, dass das wahr ist. Das digitale Gehirn ist nicht dasselbe, wie das vordigitale.

Smartphones - hier das iPhone 6s - werden immer leistungsfähiger. Das Hirn
scheint sich gegenläufig zu entwickeln.                                eenshot via  Apple
Der Gehirnforscher Manfred Spitzer hat schon vor Jahren ein ganzes Buch zum Thema “Digitale Demenz“ geschrieben. Vor allem Jugendliche seien besonders gefährdet, warnte er:
“In Koreas junger Generation sind heute zwölf Prozent internet- und computersüchtig, haben also ernste Probleme damit, längere Zeit offline zu gehen. In Deutschland sind es laut dem Suchtbeauftragten der Bundesregierung drei bis vier Prozent, wobei 250‘000 als süchtig und 1,4 Mio. als Risikofälle gelten. Das sind sehr viele junge Menschen, die am liebsten 18 Stunden pro Tag im Web wären und ihr Leben dabei nicht im Griff haben. Das ist schlimm für die Zukunft eines Landes und fatal für die Betroffenen selbst, wie ich aus entsprechenden Erfahrungen mit meinen Patienten gelernt habe.“
Nun legt ein anderer Spezialist nach; Gerald Hüther, Professor für Neurobiologe an der Universität Göttingen befasst sich im Rahmen verschiedener Initiativen und Projekte mit neurobiologischer Präventionsforschung. In einem NZZ-Artikel  unter dem Titel: “Digitale Abhängigkeit: Mehr Hirn, bitte“ haut er sehr überzeugend und ausführlich in die gleiche Kerbe. Auch er weist daraufhin, dass die Digitalisierung vor allem jugendliche Gehirne besonders beeinflusst:
“Los geht es meist damit, dass man sich keine Telefonnummern mehr merken kann. Die sind ja im Handy oder im Smartphone gespeichert. Adressen und Namen auch. Wer irgendwohin will, nutzt sein GPS, und wenn das jemand lange genug so gemacht hat, können die Neurobiologen dann eine Schrumpfung des dorsalen Hippocampus in seinem Gehirn beobachten, also derjenigen Hirnregion, die für den räumlichen Orientierungssinn zuständig ist. Nutzungsabhängige Plastizität nennen das die Hirnforscher. Was nicht mehr regelmässig im Hirn genutzt wird, schrumpelt eben allmählich weg. Manche Vernetzungen werden bei intensiver Nutzung digitaler Medien auch intensiver beansprucht und deshalb entsprechend stärker ausgebaut. Etwa diejenigen, die bei der Bedienung eines Handys für die Regulation der Daumenbewegungen zuständig sind, oder die für die Hand-Augen-Koordination, wenn jemand viel mit seiner Computermaus arbeitet. Sinnvoll sind diese Anpassungen allemal, sie erleichtern dem Hirn die Arbeit, und so wird dort oben Energie gespart. Was nicht mehr regelmässig im Hirn genutzt wird, schrumpelt weg.
Und sehr zweckmässig ist es auch, dass diese «nutzungsabhängige Plastizität» des Gehirns während der Phase der Hirnentwicklung, also bei Kindern und Jugendlichen, besonders stark ausgeprägt ist. Je jünger also die Personen sind, die ihr Hirn mithilfe dieser das eigene Nachdenken und Erinnern erleichternden Geräte entlasten, desto stärker passt sich die innere Organisation ihres Gehirns an diese Art der Nutzung an.“
Diese Anpassungsfähigkeit des Gehirns wird sich gemäss Professor Hüther auf das Zusammenleben in der digitalen Gesellschaft auswirken.  Besonders schnell und nachhaltig entwickelten sich nämlich Abhängigkeiten dann, wenn digitale Medien zur Affektregulation eingesetzt würden. Jedes Gefühl und jedes seelische Bedürfnis, das aus irgendwelchen Gründen in einem Menschen wach werde, lasse sich inzwischen digital und virtuell ohne grosse Anstrengung ausleben und stillen, schreibt er.
Vielleicht ist es dann plötzlich einfacher und lohnender, das lange Wochenende mit dem Smartphone statt mit einem menschlichen Begleiter zu verbringen…

Tuesday, May 10, 2016

Bezahlen mit der Swatch - statt mit dem grossen Nötli

Die Europäischen Kommissare schaffen schon mal die grossen Banknoten ab, weil sie befürchten, dass ihre Bürger im Zeitalter der Negativzinsen zu viel Bargeld horten könnten, was wiederum dem Zweck der Strafzinsübung zuwiderlaufen würde. In der Schweiz sind wir (noch) nicht ganz so weit, dafür bemüht sich die Digitalbranche, das Geldausgeben auch ohne Bargeld so einfach wie möglich zu machen. Das aktuelle Beispiel ist die neue Swatch Bellamy, die mit gewohntem Swatch-Understatement daherkommt  aber nicht nur gut aussieht, sondern auch noch wie eine Kreditkarte eingesetzt werden kann.

Swatch Bellamy: Das gewohnte Swatch-Design, mit digitalem Geld im
Innern.                                                                                             Bild Swatch
Nach der Zusammenarbeitsankündigung mit Visa im November 2015, gab Swatch jetzt die Unterzeichnung eines Partnerschaftsvertrags mit der Cornèr Bank AG bekannt. Dies macht den Weg frei für den Verkauf der ersten Swatch Bellamy-Modelle, die in der ganzen Schweiz ab Mitte Juni für 105 Franken verkauft werden.
Die Swatch Bellamy funktioniert genau wie eine moderne Kreditkarte: Für den Bezahlvorgang wird die Uhr kurz an einen  Terminal für kontaktloses Bezahlen gehalten. Da die kontaktlose Zahlung ohne Energiezufuhr durch die Uhr erfolgt, hält die Swatch-Batterie wie gewohnt mehrere Jahre. Im Gegensatz zu herkömmlichen Zahlungskarten weist zudem nichts auf die Bezahlfunktion hin, die in die Uhr integriert ist. Das ist diskret, erhöht aber auch die Sicherheit.
Die Schönheit der Swatch Bellamy liegt in ihrer Einfachheit: Für die Nahfeldkommunikation (Near Field Communications) mit kontaktlosen Zahlungsterminals ist jede Uhr mit einer Antenne und einem Visa-Chip ausgestattet. Die Zahlungsbeträge werden wie bei kontaktlosen Prepaidkarten vom Guthaben abgebucht, das Sie zuvor auf die verbundene Bank- Zahlungsfunktion geladen haben.
Wer im Swatch Store eines der drei Modelle der ersten Kollektion kauft, kann direkt einen Vertrag mit der Bank abschliessen, Guthaben auf die Uhr laden und sofort auf Shopping-Tour gehen.
 Die Schweiz ist das erste Land in Europa, in welchem Swatch Bellamy erhältlich ist. In China ist Swatch Bellamy bereits seit Beginn des Jahres auf dem Markt. Über den Erfolg auf dem chinesischen Markt sei allerdings noch nichts bekannt, berichtet die NZZ:
“Laut Nick Hayek, dem CEO der Swatch Group,  jedoch unerwartete neue Zielgruppen erreicht werden. So kauften neben den technikaffinen Jungen in China auch viele Eltern die Bellamy für ihre Kinder. So hätten diese auf unkomplizierte und sichere Art immer ein wenig Geld für Notfälle dabei.“

Die Swatch Bellamy ist bei weitem nicht das einzige "Bezahlgerät" - der Markt beginnt gerade, sich zu entwickeln. Trotzdem werden der Uhr gute Chancen eingeräumt:
"Telekom-Experte Ralf Beyeler schätzt die Chancen der Bellamy trotz der starken Konkurrenz als gut ein: «Vorteil ist die NFC-Technik. Das heisst für die Supermärkte, dass sie keine neuen Bezahlterminals kaufen müssen.» Für die Kunden sei praktisch, dass sie die Uhr nur kurz hinhalten müssen – wenn das System tatsächlich einwandfrei funktioniert. Doch Beyeler sieht auch Nachteile: die Prepaid-Karte als Basis. «Die Gebühren sind bei diesen Karten für die Kunden meist sehr hoch», so der Experte. Oft müsse man zwei bis drei Prozent des Betrags pro Transaktion drauflegen. Ausserdem sei es unpraktisch, dass man für den Gebrauch der Uhr nicht eine bestehende Karte verwenden könne."

Thursday, May 5, 2016

Internet für Werte: Blockchain wird die Welt verändern

Ein digitales System, das es möglich macht, Werte sicher zu übertragen – so lautet eine Kurzbeschreibung der Blockchain-Technologie. Die herkömmlichen Grundsteine des Finanzsystems – zum Beispiel Banken - sind dazu nicht mehr notwendig, wie die Digitalwährung Bitcoin beweist, die auf Blockchain-Basis funktioniert. Blockchain ist kompliziert, das gestehen auch Fachleute ein. Gleichzeitig sagen sie, dass das keine Rolle spiele; schliesslich müsse man auch nicht wissen, wie das Internet funktioniere, um damit Informationen auszutauschen.

Blockchain-Technologie wird immer öfter als bahnbrechend qualifiziert – zuletzt  vom ehemaligen Banker Konrad Hummler, der in einem ausführlichen Artikel in der NZZ erklärt, was es mit Blockchain-Technologie auf sich hat. Auch Hummler ist überzeugt davon, dass die Technologie bahnbrechend sein wird.  Blockchain sei mehr als eine digitale Technologie. Es sei ein System, das die Chance bietet, Eigentumsverhältnisse viel einfacher und günstiger zu sichern und zu ordnen. Das werde Konsequenzen haben und sei eine Herausforderung für Banken und den Staat. Hummler definiert Blockchain wie folgt:
Alle Bitcoin/Blockchain-Informationen, die Sie je brauchen werden, finden Sie
auf  der blockchain.info-Website.                                                             Screenshot
“Um die Rechtmässigkeit des Eigentums und die Echtheit der Sache feststellen und garantieren zu können, braucht es im Alltag ordnende Institutionen, dank deren die Erwartungen in der Gesellschaft und der effektive Sachverhalt weitgehend deckungsgleich gehalten werden können. Diese Institutionen haben ihren Preis. Es kann sich dabei erstens um direkte Gebühren handeln, wie sie beispielsweise von Banken, Depotstellen oder Clearinghäusern erhoben werden. «Gebühren» können aber auch indirekt und versteckt anfallen, etwa wenn zweitens Institutionen unmerklich ihre Glaubwürdigkeit ritzen und am Ende Stabilitätskrisen verursachen, die dann als höhere Gewalt interpretiert werden. Kostspielig wird es drittens auch, wenn Institutionen eine Verwässerung des Eigentums zulassen oder herbeiführen, beispielsweise durch Inflation oder durch Vermögensverminderung infolge negativer Zinsen, was auf dasselbe hinausläuft. Viertens müssen die mit der Gewährleistung von Eigentum beschäftigten Institutionen je länger, je mehr mit dem grössten Stakeholder des Bürgers, den Steuerbehörden, zusammenarbeiten, um Anknüpfungspunkte zur legalen Enteignung mittels Steuern zur Verfügung zu stellen. Wenn aber die herkömmliche Gewährleistung von Eigentum gleich vierfach kostspielig und letztlich auch unsicher ist, so ruft dies geradezu nach einem System, das idealerweise Eigentum ohne institutionelle Verankerung zulässt. Ein solches System, das kraft seiner lückenlosen und nicht veränderbaren Historie Beweiskraft erlangt, um Eigentumsverhältnisse zu regeln, ist Blockchain.“
Tatsächlich gibt es zahlreiche Spezialisten, die Blockchain revolutionäres Potential vorhersagen – vor allem in der Finanzbranche. Zitat aus der “Zeit“:
“Glaubt man der Analysegesellschaft Oliver Wyman, ließe sich [mit Blockchain ]ein großer Teil jener 65 bis 80 Milliarden Dollar im Jahr sparen, die es die Bankenwelt heute kostet, Zahlungen abzugleichen und abzuwickeln. Ralf Frank, Generalsekretär der deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA), sieht Blockchain daher sowohl als Chance für die Bankenwelt, aber auch als Bedrohung für die Arbeitsplätze der Bankmitarbeiter. Mit der Sicherheit der Blockchain-Technologie müssten Banken außerdem nicht mehr jeden Morgen Milliarden an Liquidität und Sicherheiten in unsere Zahlungs- und Abwicklungssysteme für Geld, Devisen und Wertpapiere pumpen. Die Risikopuffer, die bereitgehalten werden müssen, sollten Zahlungen ausfallen, wären weitgehend überflüssig, denn das System bucht nur, wenn die Gleichung auf beiden Seiten stimmt, dann aber sofort, in Sekunden. Die Kosten, um Geld, Wertpapiere oder andere Vermögensgegenstände zu bewegen und ihr Eigentum zu übertragen, würden drastisch sinken.“
Wenn Sie selber in die Blockchain-Welt eintauchen wollen, bietet das Internet die besten Ressourcen. Auf blockchain.info  zum Beispiel finden Sie alle Angaben, die Sie als Developer brauchen, aber auch alle aktuellen Statistiken zu Transaktionen und Blöcken. Und natürlich auch die Möglichkeit, selber mitzumachen und Bitcoin-Zahlungen zu akzeptieren – damit Sie die Revolution nicht verpassen!

Monday, May 2, 2016

Nach dem "Röhrli" der SMS-Test

Das Smartphone in der Hand ist für Autofahrer aus gutem Grund verboten. Telefonieren und vor allem Texten im Strassenverkehr sind hochgefährliche Aktivitäten. Trotz Aufklärungskampagnen und  für jene, die nicht selber merken, dass sie beim Autofahren auf die Strasse schauen sollten, gibt es immer noch viele User, die auf der Strasse das Smartphone benutzen. Eine israelische Firma hat nun ein Gerät entwickelt, das  es möglich macht, schon am Strassenrand festzustellen, ob und wie ein Smartphone benutzt worden ist. 

Wie die amerikanische Website Android Authority berichtet, handelt es sich bei der Firma, die den sogenannten “Textalyzer“ anbietet, um die Firma Cellebrite, die sich kürzlich im Zusammenhang mit dem Terroranschlag im kalifornischen San Bernardino einen Namen gemacht hat, indem sie dem FBI half, das iPhone der Täter zu entschlüsseln. Der Ausdruck “Textalyzer“ spielt auf den englischen Namen für Alkohol-Prüfgeräte an; diese werden  Breathalyzer“ genannt. Mit dem Textalyzer wird bei einer Kontrolle nicht der Atem des Verkehrsteilnehmers kontrolliert, sondern sein Smartphone. Auch der Tagi berichtet:
“Cellebrite vertreibt speziell konfigurierte Laptops, mit denen etwa die Polizei noch an der Unfallstelle ein beschlagnahmtes Telefon unter die Lupe nehmen kann. Anhand des SMS-Verlaufs oder der Anrufprotokolle kann sie feststellen, ob ein Lenker während der Fahrt sein Telefon verwendet hat. Das New Yorker Gesetz würde den Test für Fahrer zur Pflicht machen. Die Weigerung, einem Polizeibeamten das Smartphone auszuhändigen, könnte den Entzug des Fahrausweises nach sich ziehen. Schweizer Behörden setzen bislang auf Prävention gegen die Unfallursache «Handy am Steuer». […]In der Schweiz kann das Tippen auf dem Smartphone während der Fahrt als grobe Verkehrsregelverletzung taxiert werden. In einem solchen Fall droht dem Verkehrssünder mehr als nur eine Ordnungsbusse – eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft kann bis zu einem Ausweisentzug führen.“
Viele Autofahrer lassen sich weder von Unfallstatistiken, noch Bussandrohungen oder blutigen Unfallvideos (siehe unten) nicht beeindrucken – nicht nur in der Schweiz:
Eine grosse US-Studie zeigt, dass der Umgang mit Mobiltelefonen am Steuer derjenige Einzelfaktor ist, der Autounfälle besonders stark zunehmen lässt. Demnach steigern die Suche nach dem Gerät, das Telefonieren und insbesondere das Lesen und Texten das Unfallrisiko um insgesamt fast das Vierfache. Erschwerend komme hinzu, dass sich Autofahrer mehr als sechs Prozent der Fahrzeit mit solchen Geräten beschäftigten, schreiben die Forscher in den "Proceedings" der US-Nationalen Akademie der Wissenschaften . Das Phänomen könne auch die seit kurzem steigenden Zahlen der Verkehrstoten in Deutschland erklären, sagt ein deutscher Experte.“
Das Thema Handy am Steuer sorgt auch in den Kommentarspalten der Schweizer Medien für aufgeregte Diskussionen. Das zeigt es sich dann auch, dass es tatsächlich Autofahrer gibt, welche die Handynutzung am Steuer als gottgegebenes Freiheitsrecht ansehen:
Typisch Schweiz. Alles verbieten und die Autofahrer kriminalisieren. Wenn die Polizei mit Geschwindigkeitsbusen [sic] kein Geld mehr verdienen kann, greift sie zu der nächsten Schikane. Ich lasse mir das Telefonieren und SMS schreiben [sic] am Steuer nicht verbieten!“
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