Wednesday, December 8, 2010

Anarchie, die uns alle viel kosten wird

Wikileaks und Julian Assange – zwei Namen, die den meisten von uns bis vor kurzem noch völlig unbekannt gewesen sein dürften.  Nun, da sich das Netzt der internationalen Staatsgewalten über Assange zusammenzieht, spüren auch Schweizer Unternehmer die Wut seiner anarchistischen Freunde – die Postfinance ist nur einer der Websites, die im Lauf der letzten Tage von Wiki-Aktivisten lahmgelegt wurde.

Wikileaks.ch: auf einem Schweizer Server gehostet.
Heute war es nun Mastercard, wo die Wiki-Anarchisten zuschlugen, und eine Schweizer Bank stand auch auf der Liste. Solche Aktionen sind höchst destruktiv, zerstören Vertrauen und verursachen grosse Kosten, also genau, was die Chaoten wollen. Das Problem: Das Internet funktioniert als ein offenes Konzept – es gibt noch keine wirksamen Mittel, die Aktivisten daran zu hindern, ihren digitalen Anarchismus auszuleben - zumindest vorläufig.  
Es ist anzunehmen, dass sich die hohen Wellen, die der Wikileak-Skandal in der digitalen Gesellschaft gegenwärtig schlägt, bald wieder legen werden. Doch die Geschehnisse zeigen auf, wie verletzlich unsere Netzwerke sind, und wie leicht die digitale Infrastruktur, auch diejenige von Grossunternehmen, lahmgelegt werden kann – und zwar nicht etwa von digitalen Grossmächten, sondern auch von ein paar verärgerten Aktivisten, die per Twitter oder Facebook bei ihren Freunden um Unterstützung bitten, die sie dann auch prompt bekommen.
Abgesehen davon, dass solche Aktionen illegal oder verwerflich, oder beides sind: Es wird höchste Zeit, dass sich das weltweite Internet mit dem milliardenschweren täglichen Umsätzen, die daran hängen, eine Abwehstrategie einfallen lässt, die nicht nur darauf beruht, dass man den Übeltätern die Konten, die Server oder gar die Domainnamen sperrt – und dann vielleicht irgendwann mal Anklage gegen Unbekannt erhebt. Wie man am aktuellen Beispiel erkennt, sind Internetpiraten mindestens so schwer zur Rechenschaft zu ziehen, wie traditionelle Seeräuber im Indischen Ozean. Neue Verteidigungsmechanismen sind gefragt und können hoffentlich implementiert werden, bevor der nächste globale Cyber-Angriff lanciert wird – diesmal vielleicht aus einem Regierungslager, aus globalen und machtpolitischen Gründen.
Wikileaks-Aktivisten begründen ihre Aktivitäten damit, dass sie Transparenz schaffen wollen. Sie wollen Informationen jeglicher Art allgemein zugänglich machen. Sie finden durchaus auch Unterstützer, sogar bei konservativen Kommentatoren, wie Roger Köppel von der Weltwoche, der die ganze Sache eigentlich ganz gut findet:
“Spielt es wirklich eine Rolle, welche Motive den Wikileaks-Gründer Assange antreiben? Muss man seine Veröffentlichungen verwerflich finden, nur weil ihr Absender ein vermutlich antikapitalistischer, antiamerikanischer Linker mit einer mutmasslich zweifelhaften Biografie ist? Nein. Die journalistischen Sänger der staatlichen Geheimniskrämerei machen es sich zu einfach. Das Öffentlichkeitsprinzip ist in politischen Dingen ein Wert an sich. Warum? Weil es sich vor allem gegen Scharlatane, Betrüger und Leute richtet, die ihre Macht zu Unrecht oder auf fragwürdige Weise ausüben. Weil es ein zutiefst demokratisches Grundrecht des Bürgers ist, den Staat, den er sich selber gegeben hat, bis in die Eingeweide hinein zu kennen und zu kontrollieren.“
Das tönt alles sehr logisch und politologisch schön begründet. Nur wird die Rechnung ganz bestimmt nicht aufgehen. Ironischerweise werden die Aktionen von Assange und Co. genau das Gegenteil zur Folge haben: In der digitalen Gesellschaft von Morgen werden Informationsflüsse viel präziser gesteuert werden, die Schleusen werden dicke digitale Mauern aufweisen, und die Zugänge im Internet werden für alle User beschwerlicher werden. Und natürlich werden die massiven Gegenmassnahmen, die unzweifelhaft ergriffen werden, viel, viel Geld kosten. Bezahlen werden das nicht irgendwelche anonyme Regierungen und Provider-Unternehmen, sonder wir alle – als Kunden und als Steuerzahler.   

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