Wednesday, January 3, 2018

Netzdurchsetzung: "Ein selten dämliches Gesetz"

Das dauerte ja nicht lange: Kaum sind Twitter, Facebook, Youtube und Co. in Deutschland von Gesetzes wegen dazu verpflichtet, Inhalte zu löschen, die “hasserfüllt“ sind, trifft es nicht nur die üblichen Verdächtigen auf der rechten Seite des politischen Spektrums, sondern auch linke Satiriker. Das empört natürlich alle, die auf der jeweils anderen Seite stehen. Andere, die etwas weiter denken, sorgen sich ganz einfach um die Meinungsfreiheit.

                                                                   Screenshot titanic.de
Das NetzDG sei ein Debakel, schreibt der Spiegel:
“Selten ist in Deutschland ein dämlicheres Gesetz in Kraft getreten als das NetzDG: juristisch schlampig, technisch uninformiert und wahlkämpferisch schnellgeschossen. Gegen Hass im Netz hilft es auch nicht - im Gegenteil.“
Immerhin: Orwell hätte seine wahre Freude an diesem Netzwerkdurchsetzungsgesetz, das jetzt bei Social-Media-Betreibern in Deutschland für Verwirrung und hohe Kosten sorgt. Das Gesetz gegen den Hass im Internet funktioniert nämlich auf der Basis von Beschwerden: Wer von einem andern User verpfiffen wird, muss damit rechnen, dass er gesperrt wird. Die Entscheidung darüber trifft aber nicht etwa ein Gericht, sondern das Unternehmen, das die digitale Plattform zur Verfügung stellt:
“Im Falle von Facebook ist eine Meldung nach dem NetzDG folgendermaßen geregelt: Nach der Angabe des eigenen Namens sollen Nutzer die bemängelten Inhalte möglichst einem von mehr als einem Dutzend Straftatbeständen zuordnen, etwa Beleidigung oder Volksverhetzung. In einem weiteren Schritt können Nutzer erläutern, aus welchem Grund sie bestimmte Aussagen für rechtswidrig halten, damit sich bei der späteren Überprüfung der Kontext erschließt. So sollen etwa Unterscheidungen zwischen Satire und Beleidigungen möglich sein. Im letzten Schritt müssen die Melder ihren „guten Glauben“ versichern und digital unterschreiben. Gilt ein Inhalt als offensichtlich rechtswidrig, muss er binnen 24 Stunden nach Eingang der Beschwerde entfernt werden…“
Das funktioniert offensichtlich nicht sehr gut, wie verschiedene Deutsche Medien berichten. Zitat aus heise.de:
“Das Satiremagazin "Titanic" parodiert Tweets der AfD-Politikerin Beatrix von Storch und handelt sich so Ärger mit Twitter ein. Daran gibt es nicht nur in den sozialen Medien Kritik. Erst hatte der Kurznachrichtendienst einen Tweet der AfD-Bundestagsabgeordneten gelöscht, weil diese sich darüber aufgeregt hatte, dass die Kölner Polizei an Silvester auch in arabischer Sprache getwittert hatte. Von Storch hatte in ihrem Tweet von "muslimischen Männerhorden" gesprochen. Twitter sperrte ihren Account vorübergehend mit dem Hinweis auf einen "Verstoß gegen Regeln über Hass-Inhalte". Nachdem "Titanic" vermeintlich im Namen der Politikerin erneut über "Barbarenhorden" getwittert hatte – Zitat: "Weshalb verwendet eigentlich die deutsche Polizei arabische Zahlen?“
Der Deutsche Journalisten Verband sieht die Ursache der Sperrung des Titanic-Twitter-Accounts in vorauseilendem Gehorsam - nicht etwa in der Humorlosigkeit oder der Borniertheit der ausführenden Zensoren.

Es ist anzunehmen, dass das sperrige Netzwerkdurchsetzungsgesetz noch für einige Unruhe sorgen wird - immerhin kam eine Mehrheit von Sachverständigen bei einer Anhörung im Bundestag schon im letzten Jahr zum Schluss, das Gesetzt sei verfassungswidrig.  Dieser Meinung ist auch die Organisation “Reporter ohne Grenzen“. Es handle sich bei dem Gesetz um ein „gefährliches Experiment mit der Meinungsfreiheit“.  Der sozialdemokratische Justizminister Deutschlands, der das Gesetz im Bundestag der damaligen Grossen Koalition durchgedrückt hat, sieht das natürlich anders. Das Gesetz sei “eine Garantie der Meinungsfreiheit“, lässt er verlauten. 1984 lässt grüssen.  

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