Tuesday, September 3, 2019

Libra: Facebook-Coin im Gegenwind

Nachdem Facebook im Juni bekanntgegeben hatte, man wolle in Genf eine neue Welt-Kryptowährung lancieren, um den Umgang mit Geld endlich auch auf der Verbraucherseite ins digitale Zeitalter zu katapultieren, herrschte eine gewisse Ratlosigkeit. Facebook? Ausgerechnet! Diese Ratlosigkeit hat sich inzwischen bei gewissen Banken und Behörden in Gegnerschaft verwandelt. Die Gründe dafür sind unterschiedlich.

Facebook hat - selbstverständlich - ganz grosse Pläne. Libra soll die erste digitale Weltwährung überhaupt werden, um Milliarden von Menschen den Umgang mit Geld zu erleichtern:
“Die Technologieunternehmen haben ganze Arbeit geleistet, indem sie den Konsumenten den Zugang zu traditionellen Warenangeboten und Dienstleistungen vereinfacht und vergünstigt haben oder indem sie neue einführten. Nur im Geld- und Finanzbereich scheint das bis jetzt noch nicht überall so zu sein. Dort ist vieles noch umständlich, teuer, und es dauert lange – zum Beispiel der Geldtransfer in bestimmte Regionen im Ausland. Für zu viele Menschen sehen heute Teile des Finanzsystems immer noch aus wie die Telekommunikationsnetze vor der Einführung des Internets. 1,7 Milliarden Erwachsene weltweit haben nur eingeschränkten oder überhaupt noch keinen Zugang zu Finanzdienstleistungen, obwohl sie solche dringend benötigten und obwohl die meisten von ihnen ein Mobiltelefon besitzen. Ihr hart verdientes Einkommen wird zudem oft aufgefressen durch hohe Gebühren, angefangen bei den Kosten von Überweisungen bis hin zu Überziehungs- und Geldautomatengebühren.“ (NZZ)
Gebühren und Strukturen im althergebrachten System wären also gefährdet, falls der Facebook-Plan Wirklichkeit würde, und auch die Behörden hätten in vielen Fällen das Nachsehen, wenn grosse Teile des zukünftigen digitale Geldverkehr anonymisiert werden könnte (siehe auch: Erpresserwährung Bitcoin). Kein Wunder, dass beim Establishment Gegenwind aufkommt:
“Laut einem […] Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg formiert sich bei den Wettbewerbshütern der Europäischen Union (EU) Widerstand gegen die vom Internet-Riesen Facebook  angekündigte Einführung der Digitalwährung „Libra“. Die EU-Kommission untersuche derzeit „potenziell wettbewerbswidriges Verhalten“, hieß es in dem Artikel. Bloomberg beruft sich auf ein Dokument, das der Agentur vorliege. In der EU-Kommission gebe es demnach Bedenken, dass Facebook mit dem Bezahlsystem Libra Wettbewerber ausschließen werde. Der Internetkonzern könnte damit „mögliche Wettbewerbsbehinderungen“ schaffen. Wie Bloomberg weiter berichtet, befindet sich die Untersuchung der EU-Kommission noch in einem frühen Stadium. Weder die EU-Kommission noch Facebook wollten einen Kommentar dazu abgeben…“ (focus.de)
Auch im Schweizerischen Crypto Valley, wo sich die Blockchain-Technologen zusammenfinden, herrscht nicht nur eitel Freude über die Ankunft von Libra in der Schweiz - auch weil es schwierig zu sein scheint, Kontakt zu den Initianten herzustellen. Auch sonst hat man Respekt vor der Übermacht der Amerikaner. Mit Libra sei ein Elefant in die Schweizer Krypto-Branche eingetreten, der viele kleinere Projekte in den Schatten stelle, schreibt die NZZ gerade mal zwei Monate nach der Libra-Ankündigung:
“Dass wir auf den Radar des US-Regulators geraten, ist das Letzte, was wir brauchen können», sagt ein Interessenvertreter aus dem Crypto Valley. Das Projekt des globalen Blockchain-basierten Zahlungssystems drohe von einem globalen Fintech-Vorhaben zu einem Aspekt der US-Aussenpolitik zu werden.“

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