Thursday, August 22, 2019

Wie echt ist Ihr Leben?

Gibt es sie, oder gibt es sie nicht, die Handysucht? Von den Millionen Menschen, die ihr Smartphone immer bei sich tragen, auch im Bett noch beachten, jede “freie“ Minute darauf lesen oder tippen, hat sicher der allergrösste Teil nicht das Gefühl, ein Suchtproblem zu haben. Das Handy gehört einfach dazu, es ist eine Verlängerung des eigenen Daseins, das man sich ohne dieses digitale Wunder gar nicht mehr vorstellen könnte. Andere fragen sich, wie echt ihr Leben in dieser digital bestimmten Welt noch ist.  

Wieso denn miteinander reden, wenn man mit dem Handy kommunizieren
kann?                                                                                              Bild pixabay 
Plötzlich schleicht sich bei vielen Usern ein ungutes Gefühl ein. Man merkt, dass das Leben auf Instagram und Facebook nicht das richtige Leben ist. Gerade jetzt im warmen Sommerwetter, wo viele Menschen ihre Beziehung zu Natur unter dem freien Himmel wieder erneuern, scheint sich die Frage nach der eigenen Beziehung zum Smartphone wieder aufzudrängen.
Das äussert sich unter anderem in einer Häufung von Medienartikeln zu diesem Thema, von denen einige sehr lesenswert sind.
Ein ausführlicher Artikel in der Zeit versucht zum Beispiel herauszufinden, ob es die Smartphone-Sucht wirklich gibt, und ob sie überhaupt negative Folgen habe. Soviel sei vorweggenommen: Die Autorin findet in zahlreichen Studien zum Thema immer wieder jene relativierende Faktoren, die es ihr und uns möglich machen den Smartphone-Lifestyle weiterzuleben:
“So zeigt eine Studie, dass die pure Anwesenheit des Gerätes es Menschen offenbar erschwert, in einem Gespräch Intimität herzustellen: eine Gruppe von Gesprächspartnern unterhielt sich, ohne das Smartphone bei sich zu tragen, eine zweite mit ihm. Nach zehn Minuten sollten die Studienteilnehmer einschätzen, wie sehr sie ihrem Gegenüber vertrauen und ob es ihre Gefühle versteht. Das Ergebnis: Diejenigen, die das Smartphone dabeihatten, beantworteten die Frage durchgehend negativer […]. Viele kennen diesen Effekt auch von sich: Liegt das Ding beim Essen oder auch beim Treffen mit Freunden auf dem Tisch, fällt es schwer, nicht ab und zu mal draufzuschauen. Es auf den Bildschirm zu drehen, hilft auch nicht. Das Problem dieser, aber auch vieler anderen aktuellen Studien zur Smartphonenutzung, die die Forscherinnen und Forscher aus Philadelphia zusammengetragen haben, ist jedoch: So interessant sich solche Ergebnisse lesen, so wenig aussagekräftig sind sie. Denn experimentelle Studien sind eben nur bedingt auf die echte Welt übertragbar…“
Das stimmt natürlich. Trotzdem gibt es zu denken, dass gemäss wissenschaftlichen Untersuchungen, bereits 10 bis 20 Prozent aller Schüler “handysüchtig“ sind. Aber:
“Im internationalen Diagnosehandbuch psychischer Erkrankungen (ICD-11) ist die "Smartphonesucht" noch keine anerkannte Diagnose. Forscher und Forscherinnen sprechen stattdessen von einer "problematischen Smartphonenutzung" oder "internetbezogenen Störungen". Denn das Handy an sich macht nicht süchtig. "Menschen, die ihr Smartphone suchtartig gebrauchen, sind nicht abhängig nach dem Gerät, sondern nach dem, was dieses ihnen bietet"…“
Das sieht eine andere Autorin, ebenfalls in der Zeit, nicht ganz so unproblematisch. Anna Miller hat genug vom Smartphone und ihrem digitalen Leben:
“Hätte uns jemand vor ein paar Jahren gesagt, dass wir unser Leben in ein paar Jahren so sehr nicht mehr aushalten, dass wir während des Urinierens, eine Minute, eine Ablenkung brauchen, wir hätten nur gedacht, wie sonderbar dieser Mensch doch ist, solche Dinge zu denken.
Manchmal reden wir darüber, dass das Internet etwas mit uns gemacht hat, aber tiefer gehen wir nicht, wir schenken nochmals Wein nach und wischen den Gedanken weg und greifen nach dem Handy, so viel einfacher, irgendwie. Wir haben ja auch so oft gar keine Worte für diesen Zustand, wir haben nur ein dumpfes Gefühl im Magen, aber wem geht es schon so wie uns, wahrscheinlich niemandem, wahrscheinlich fühlen nur wir allein uns so. Und was ist so ein ungutes Gefühl denn schon wert, in einem postfaktischen Zeitalter – nicht viel.  Manchmal denken wir kurz darüber nach, was wir alles machen könnten, in dieser Zeit, die uns jetzt fehlt, dann zucken wir mit den Achseln und denken, ach, dann würde ich vielleicht sowieso einfach noch länger auf Netflix rumhängen oder öfter schlafen, ist ja alles einerlei…“

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